Austro-islamische Spur in Bosnien

Seit zwei Jahrzehnten in Südosteuropa unterwegs: Maximilian Hartmuth ist Kunstgeschichteexperte für die ehemaligen osmanischen Provinzen.
Seit zwei Jahrzehnten in Südosteuropa unterwegs: Maximilian Hartmuth ist Kunstgeschichteexperte für die ehemaligen osmanischen Provinzen.(c) Valerie Voithofer
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Der Kunsthistoriker Maximilian Hartmuth erforscht die von Wien forcierte Bautätigkeit in Bosnien – in jenen 40 Jahren, in denen das Land von Österreich-Ungarn verwaltet wurde.

Der Balkan interessiert und fasziniert. Insbesondere bestimmte Bauten Südosteuropas mit kulturgeschichtlichem Hintergrund, die bei Maximilian Hartmuth im wissenschaftlichen Fokus stehen. Der Wiener Kunsthistoriker und Osteuropaexperte erhielt für die Laufzeit von 2018 bis 2023 eine Förderung des European Research Council, den ERC Starting Grant – übrigens das erste diesbezüglich ausgezeichnete österreichische Kunstgeschichte-Projekt des Europäischen Forschungsrats. Das geförderte Forschungsthema: muslimische Kult- und Bildungsbauten aus der Zeit der österreichisch-ungarischen Herrschaft in Bosnien.

Der Beginn seiner wissenschaftlichen Ausrichtung fiel bei Hartmuth in die Monate nach seiner Matura. Er wählte im Rahmen seiner Zivildienstzeit 2001/02 den Friedensdienst in Sarajewo, den Österreich nach dem Bosnienkrieg (1992–95) anbot. „Weil das für mich eine sinnstiftende Tätigkeit war“, sagt Maximilian Hartmuth. 14 Monate war er in der bosnischen Hauptstadt im Menschenrechtszentrum tätig, und dieser Aufenthalt – „Sarajewo sieht in manchem meiner Heimatstadt Wien, etwa den Bezirken Währing und Hernals, ähnlich“ – prägte die weiteren wissenschaftlichen Stationen.

Wien bemüht sich um die Bosnier

Seine Diplomarbeit verfasste Hartmuth über die Habsburgerzeit in Sarajewo. Seine Dissertation, die er an der Sabancı Universität in Istanbul ablegte, hatte das Kunstschaffen des osmanischen Balkans zum Thema. Seit 2012 ist der Kunsthistoriker wieder an der Uni Wien, von 2014 bis 2018 war er an dem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt „Zentrum und Peripherie? Islamische Architektur im osmanischen Makedonien 1383–1520“ beteiligt.

Und nun also der ERC Grant und wiederum das schon zuvor bearbeitete Forschungsfeld in Bosnien. Bosnien und Herzegowina stand von 1878 bis 1918 unter österreichisch-ungarischer Verwaltung (1908 Annexion, bis dahin formell noch eine osmanische Provinz). Der Wiener Hof und im Besonderen Franz Joseph bemühten sich um die Bevölkerung mit ihrem etwa 40-prozentigen muslimischen Anteil. „Einige haben sich in das osmanische Reich zurückgezogen, aber der größte Teil der städtischen Elite hat sich mit den neuen Machthabern arrangiert“, sagt Maximilian Hartmuth. Das waren Beamte, Kaufleute, Vertreter des Militärs und Landbesitzer, die der muslimischen Bevölkerung angehörten.

Wien akzeptierte diesen Einfluss (der Bürgermeister von Sarajewo war stets ein muslimischer Bosnier) und förderte die muslimische Kultur, indem von Wien aus junge Architekten ins Land entsandt wurden. Diese hatten bei Theophil von Hansen und Friedrich von Schmidt studiert und setzten nun den Baustil des Wiener Historismus in den postosmanischen Baustil um. Es entstanden Moscheen, Verwaltungsgebäude, eine Scheriatsrichterschule, ein großes Gymnasium oder das städtische Bad in Mostar. Anregungen für die Baugestaltung kamen auch von der Wiener Weltausstellung 1873, besonders von dem dort errichteten ägyptischen Pavilion mit dessen Minarett.

Wobei auch vice versa in Wien ein Gebäude mit Elementen des späteren austro- bosnischen Baustils zu sehen ist: das von Theophil von Hansen in den 1850er-Jahren errichtete Heeresgeschichtliche Museum mit seiner charakteristischen Fassade und einigen inneren Stilelementen. Wiens Bürgermeister Karl Lueger legte auch 1909 den Plan zur Errichtung einer Moschee im Türkenschanzpark vor, der aber nach Ausbruch des Weltkrieges nicht mehr spruchreif war.

90 Gebäude identifiziert

Hartmuth hat mittlerweile mehr als 90 Gebäude im austro-islamischen Baustil erhoben. Sein Forschungsprojekt stößt in Bosnien auf großes Interesse, sagt der Wiener Kunsthistoriker. Der mit 1,3 Millionen Euro dotierte ERC Starting Grant ermöglicht Hartmuth die Etablierung einer eigenen Forschungsgruppe am Institut für Kunstgeschichte der Uni Wien. Neben Forschungskonferenzen sollen die Erkenntnisse in Buchform publiziert werden. Aber vorerst steht eine weitere Exkursion zur Feldforschung im September auf dem Programm.

ZUR PERSON

Maximilian Hartmuth (38) hat schon am Beginn seiner Uni-Laufbahn sein Studieninteresse auf die Kulturgeschichte des Balkans gelegt. Er studierte am Osteuropa- und Kunstgeschichteinstitut der Uni Wien, wechselte zur Kunstuniversität Belgrad und dann nach Istanbul zur Koç Universität und weiter zur Sabancı Universität. Für seine Forschungsarbeit ist die Kenntnis der türkischen und serbokroatischen Sprache Voraussetzung.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2018)

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