Wo die Aufklärung falsch abgebogen ist

Auch mit den Medien stand Rousseau auf Kriegsfuß.
Auch mit den Medien stand Rousseau auf Kriegsfuß.FABRICE COFFRINI / AFP
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Wir erleben einen Feldzug gegen die Aufklärung. Aber schon einer ihrer einflussreichsten Denker hatte sie verdunkelt: Die Gefühlswelt Rousseaus gleicht jener der Populisten von heute. Weshalb sich ein neuer Blick auf ihn lohnt.

Heftiges Herzklopfen. Mit Tränen durchtränkte Weste. Eine Stunde höchster Erregung: Nur bei wenigen weckt Zeitungslektüre solche Emotionen wie angeblich bei Jean-Jacques Rousseau. Im Wald von Vincennes blätterte der empfindsame Philosoph im „Mercure de France“, als sein Blick auf eine Annonce fiel, die für ein Erweckungserlebnis sorgte. Dessen Schilderung entlarvten schon die Zeitgenossen als inszenierte Selbstverklärung. Anlass war die Frage, zu deren Klärung die Akademie von Dijon einen Preis ausrief: „Hat das Wiederaufblühen der Wissenschaften und Künste zur Läuterung der Sitten beigetragen?“

Die Antwort schien aufgelegt, in einer Epoche frohgemuten Fortschrittsglaubens. Rousseau war scheinbar selbst Teil dieses Projekts. Aber der Einzelgänger aus der Schweizer Provinz fühlte sich in den Salons der Pariser Intellektuellen nie zu Hause. Und nun wurde ihm schlagartig klar: Kultur ist ein Irrtum, Zivilisation eine Krankheit. Wissen trübt die Gewissheiten des schlichten Gemüts. Früher war alles besser. Das stand konträr zum Zeitgeist. Die Juroren verliehen dem Außenseiter den Preis und machten ihn schlagartig berühmt. Aber stimmt, was im „Discours sur les Sciences et les Arts“ steht?

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