Kunststoffteilchen im Wasserstrudel

Daniel Schwabl (l.) und Markus Bauer vor der Pilotanlage, die ihnen den Weg in die Selbstständigkeit ebnen soll.
Daniel Schwabl (l.) und Markus Bauer vor der Pilotanlage, die ihnen den Weg in die Selbstständigkeit ebnen soll.(c) Montanuniversität Leoben
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Bisher wird nur rund ein Viertel der weggeworfenen Kunststoffe recycelt. Das wollen zwei Forscher der Montanuni Leoben mit einer neu genutzten Technik ändern.

Von außen ahnt man nicht, was sich im Inneren der Pilotanlage abspielt. Mittels Zentrifugalkraft wird zerkleinerter Abfall, der in Wasser schwimmt, so richtig durchgewirbelt. „Wir erzeugen einen Wasserstrudel. Darin werden Kunststoffe, die schwerer sind als anderer Abfall, an den Rand gepresst“, erklärt Markus Bauer, der am Lehrstuhl für Verfahrenstechnik des industriellen Umweltschutzes an der Montanuni Leoben tätig ist. Und zwar mit Kräften von 15 g. Zum Vergleich: Eine Kinderschaukel schwingt mit maximal 2,5 g, die Belastung bei Kunstflugmanövern kann kurzzeitig bei acht g liegen. Für den Müll bedeutet das, dass sich die Kunststoffteilchen weit rascher von anderen Stoffen abtrennen lassen als durch bisherige Verfahren, bei denen die rund 20 Millimeter großen Partikel im ruhigen Wasser abgeschöpft werden. Und genau das ist das Ziel der Forscher.

„Mich begeistert, dass man aus den bunt zusammengemischten Reststoffen noch wertvolle Rohstoffe für das Recycling gewinnen kann“, erzählt Bauer. Das Potenzial ist groß, immerhin werden in Österreich rund drei Viertel der weggeworfenen Kunststoffe zusammen mit anderem Abfall verbrannt. Erst etwa ein Viertel wird recycelt. „Es wäre schön, diesen Anteil in den kommenden Jahren verdoppeln zu können“, sagt Bauer vorsichtig. Bis dahin sei es aber noch ein weiter Weg.

Schwierig, wenn schmutzig

Denn erstens muss die Technologie zunächst weiter verbessert werden. Mit der – in einem von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützten „Research Studio“ – entwickelten Pilotanlage ist man zwar zufrieden. Diese müsse allerdings weiter an den Industriemaßstab angepasst werden. Sie soll außerdem künftig bis zu 40 Millimeter große Teilchen verarbeiten können. Schwierig wird es derzeit noch, wenn die Kunststoffteilchen stark verunreinigt sind. Auch für mit Kunststoffen beschichtetes Papier oder Mischverpackungen wie Plastikfenster von Kuverts brauche es noch Lösungen.

Zweitens müsse in weiterer Folge der Zugang zu den Materialien erst geöffnet werden. Welche Wege Abfall nimmt und wie er behandelt wird, läuft in Österreich nämlich nach eingespielten Routinen ab. Letztlich werde man also auch viel Überzeugungsarbeit leisten und zeigen müssen, dass sich die neu genutzte Technologie auch auszahlt, so Bauer.

Das Prinzip, nach dem diese Leobener Zentrifugalkraftscheider-Technik funktioniert, ist dabei eigentlich ein altes. Es wird etwa schon lang genutzt, um Mineralien oder Kohle aufzubereiten. Es zum Mülltrennen zu nutzen, ist neu. „Wir haben lang nach einem geeigneten Verfahren gesucht, wie man Kunststoff besser abtrennen kann, und uns dann für diesen Weg entschieden“, so der 34-Jährige. Dahinter liege „kein Geistesblitz, sondern ein langer Prozess an Überlegungen und Tests“.

Diese führen die Forscher seit Kurzem mit einem Spin-off Fellowship des Wissenschaftsministeriums weiter. Ziel dieses heuer neu eingeführten Förderprogramms, das die Entwicklungsarbeit der Leobener Forscher für weitere 1,5 Jahre sichert, ist die Selbstständigkeit. Es soll innovativen Ideen den Weg von der Wissenschaft in die Wirtschaft ebnen.

Denken wie ein Unternehmer

Acht von 35 Anträgen werden in der ersten Fördertranche unterstützt, darunter etwa auch ein Projekt zum Fischschutz an Wasserkraftanlagen an der Uni Innsbruck oder zur Entwicklung eines Sensors zur Optimierung von Blutwäschegeräten an der Uni Wien, die genutzt werden, um Autoimmunerkrankungen zu behandeln. Wer die Förderung erhält, darf keine andere Forschung machen und in dieser Zeit auch nicht lehren. Dafür muss er sich – in Coachings und Weiterbildungen – unternehmerisches Denken und auch rechtliche Grundlagen aneignen.

Diese Metamorphose zum Unternehmer steht Bauer und seinem Teamkollegen Daniel Schwabl nun bevor. Bauer sieht das gelassen: So wie sich die Technologie in einem Transformationsprozess befinde, müsse man eben auch selbst weiter wachsen.

IN ZAHLEN

1 Viertel aller weggeworfenen Kunststoffabfälle wird derzeit in Österreich recycelt. Diesen Wert wollen Leobener Forscher mit einer neuen Technologie verdoppeln.

8
von 35 Anträgen werden heuer mit einem Spin-off Fellowship, das ist ein neues Förderprogramm des Wissenschaftsministeriums, das innovativen Ideen den Weg in die Wirtschaft ebnen will, gefördert. Das Leobener Projekt ist eines davon.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2018)

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