Romane als Wunderwaffe gegen Diskriminierung?

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Die Amerikanistin Alexa Weik von Mossner untersucht ethnische amerikanische Literatur. In einem dreijährigen Projekt beleuchtet sie die Rolle von Empathie und Emotion beim Schreiben und Lesen von Fiktion.

„Sie bringen Drogen, sie bringen Kriminalität, sie sind Vergewaltiger.“ Donald Trump ist nicht zimperlich, wenn er über Migranten oder Minderheiten spricht. Nicht selten mischen sich diskriminierende Stereotypen in die Reden des US-amerikanischen Präsidenten – und sie fallen auf fruchtbaren Boden. Gegenentwürfe zu dieser Meta-Erzählung, nach der Schwarze, Muslime und Menschen mexikanischer Herkunft eine Bedrohung für die Nation sind, finden sich vor allem in der Literatur.

Was bewirken diese Texte bei Leserinnen und Lesern der Mehrheitsgesellschaft? Machen die Romane sie gar zu besseren Menschen? Diesen Fragen geht derzeit die Amerikanistin und Literaturwissenschaftlerin Alexa Weik von Mossner von der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt gemeinsam mit den Doktoratsstudierenden Marijana Mikić und Mario Grill nach. Sie beschäftigt sich bereits seit einem Jahrzehnt mit dem Zusammenspiel von Literatur, Textproduktion und Rezeption in Bezug auf Emotionen und Empathie. In einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt will Weik von Mossner jetzt bestehende Lücken zwischen der kognitiven Erzähltheorie und kontextbezogenen Ansätzen der Literaturwissenschaft schließen.

Ästhetik trifft Politik

„Ich beziehe mich stark auf Forschungserkenntnisse der Neurowissenschaften, der kognitiven Psychologie und empirischen Literaturwissenschaft“, erklärt Weik von Mossner. „Demnach steigert das Lesen von fiktionalen Texten die Empathiefähigkeit.“ Im Vordergrund steht die narratologische Untersuchung ethnischer amerikanischer Literatur – insbesondere die Analyse der Darstellungsformen in Werken von afro-, mexikanisch- sowie muslimisch-amerikanischen Autoren und Autorinnen. Darauf aufbauend plant sie einen empirischen Studienteil zur Rezeption der Texte.

15 bis 20 Bücher will die Klagenfurter Forschungsgruppe auswählen und analysieren, darunter Erzählungen wie „Saffron Dreams“. In dem Buch lässt die Autorin Shaila Abdullah ihre Leserschaft in das Alltagsleben einer muslimischen Frau in den USA nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eintauchen. Mit ihrem Blick auf die ästhetische Dimension der Romane zeigt Weik von Mossner, wie Texte versuchen, ihr Publikum zu involvieren. „Es macht zum Beispiel einen Unterschied, ob es einen Ich- oder einen Er-Erzähler gibt“, sagt sie. „Ein Ich-Erzähler holt uns in den Kopf des Protagonisten, er kann aber auch unzuverlässig sein. Das hat massive Auswirkungen darauf, wie ich die erzählte Welt erlebe und wie stark ich mich mit den Figuren identifiziere.“

Auf diese Weise will das Team um Weik von Mossner herausfinden, welche Rolle Empathie und Emotion in Romanen, die sich um die Vermittlung kultureller Differenzen drehen, spielen. „Letztlich geht es uns darum, ein Verständnis für die Auswirkungen solcher Texte auf das gegenwärtige politische Klima in den USA zu entwickeln.“ Ob das nicht eine zu euphemistische oder gar naive Perspektive darauf sei, was Literatur in der Welt ausrichten kann? „Ich kenne diese Kritik, aber es gibt bislang noch nicht genug wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, was Romane bewirken können“, kontert Weik von Mossner. „Darum müssen wir, um diese Frage beantworten zu können, auch mehr in diese Richtung forschen.“ [ Katharina Tischler-Banfield ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2018)

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