Gesunde Kinder zeugen? Etwas Sport betreiben!

Tullohs Training
Tullohs Training(c) Getty Images (John Pratt)
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Nicht nur die Gene, auch die Lebensweisen der Eltern gehen in das Erbe ein: Falsche Ernährung etwa beschert Kindern Stoffwechselleiden bis hin zu Diabetes. Aber der Effekt kann durch körperliche Aktivität rückgängig gemacht werden, zumindest bei Mäusemännchen.

Wer als Mann ein Kind zeugen will und sich nicht ohnehin sportlich betätigt, der sollte zur rechten Zeit – und im rechten Maß – damit beginnen. Das Kind wird es ihm danken, vielleicht nicht mit Worten, aber mit körperlichem Wohlergehen, und das auch in fortgeschrittenem Alter. Das ist die jüngste Wendung in Fragen der Vererbung, in denen man lang nur die Gene für entscheidend hielt, und diese verändern sich ja nicht durch die Lebensweise: Ihre Buchstabenfolge – die Sequenz der Aminosäuren – liegt fest, und Lamarck wurde lang eher belächelt für seine Vermutung, der Sohn des Schmieds komme mit kräftigen Armen zur Welt, weil der Vater im Beruf dort Muskeln angesetzt hat.

Aber dann, in den 1990er-Jahren, zeigten sich die Folgen des „Hongerwinters“, mit dem die deutschen Besatzer 1944/45 Teile der Niederlande überzogen, indem sie die Bevölkerung von der Versorgung abschnitten. Und bei den damals ausgetragenen Kindern häuften sich ab dem mittleren Lebensalter Krankheiten des Herzens und des Stoffwechsels. Diese hatten mit den Genen der Eltern zu tun, und was sie damit zu tun hatten, zeigte sich um die gleiche Zeit an Versuchstieren in Genetiker-Labors: In Genen steckt nicht nur die Information der Buchstabenfolge, in ihnen steckt noch etwas, Epigenetik, sie bestimmt über die Aktivität der Gene.

Hunger und Überfluss schaden

Und sie bringt die Umwelt ins Erbe: Bei Hunger etwa werden Gene anders aktiv, sie bleiben es auch bei den Nachkommen, und selbst in der dritten Generation. Dieses Phänomen zeigte sich zunächst bei der Ernährung, Mangel bei den Eltern schlägt auf Kinder und Kindeskinder durch – auch bei Menschen, das zeigten epidemiologische Studien –, Überfluss tut es auch. Zentral ist immer, dass die Gene moduliert werden, oft durch Methylierung: das Anhängen von Methylgruppen. Wie das im Einzelnen vor sich geht, ist kaum mehr überschaubar, unterschiedlichste Mikro-RNA ist mit im Spiel, auch die Histone sind es, das sind die Proteinstrukturen, um die der Genfaden etwa so gewickelt ist wie ein normaler Faden um eine Spule, Susan Strome (UC Santa Cruz) ist es gerade an Fadenwürmern aufgefallen, Weibchen kennzeichnen die Gene in den Eizellen so, Männchen die im Sperma (Nature Communication 17. 10.)

Aber Fadenwürmer und Menschen leben nicht vom Brot allein, und Mäuse tun es auch nicht: Männliche und weibliche von ihnen hat Laurie Goodyear (Ohio State University) in Gruppen geteilt: Die einen hatten Käfige ohne Beschäftigungsmöglichkeit, bei den anderen gab es ein Laufrad. Dann wurde noch einmal geteilt: In beiden Gruppen bekamen manche ausgewogene Kost, andere extrem fettreiche. Nach drei Wochen wurden die Mäuse verheiratet: Die fettreiche Ernährung schlug epigenetisch erwartungsgemäß auf die Jungen durch, sie verfetteten selbst und entwickelten Insulin-Resistenz, die Vorform von Diabetes.

Entscheidend ist das rechte Maß

Das war bei Weibchen und Männchen gleich. Aber bei den Männchen, die zugleich ein Laufrad hatten, setzte sich ein Gegeneffekt durch, auch er epigenetisch via Mikro-RNA im Sperma: Der Stoffwechsel der Jungen blieb gesund bis ins hohe Alter (Diabetes 22. 10.). „Mäßige Bewegung, begonnen einen Monat vor der Konzeption, könnte einen Langzeiteffekt auf Kinder haben“, legt Goodyear auf Menschen um und betont das rechte Maß: In einem früheren Experiment hatte sich an Mäusemännchen das Gegenteil gezeigt: Aktivität war für die Jungen schädlich. Allerdings waren diese Tiere extrem aktiv, das hatte den Verdacht geweckt, „Übertraining“ sei kontraproduktiv. Goodyear will es in der nächsten Runde klären.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2018)

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