Dem Fett mit Kälte- und Nikotinersatz zu Leibe rücken?

Fuesse auf Personenwaage - feet on a scale
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Gegen das steigende Übergewicht der Menschheit hat sich bisher keine pharmakologische Waffe gefunden, schon gar kein Wundermittel: Nun gibt es dafür einen neuen Kandidaten.

Bringt ein Zufallsfund von Krebsforschern die lange gesuchte Wende im Kampf gegen die „Epidemie der Fettleibigkeit“ (Weltgesundheitsorganisation WHO), die inzwischen die halbe Menschheit befallen hat? Der Fund heißt BP-3 und ist ein Bindungsprotein – daher der Name –, das die Wirkung von Wachstumsfaktoren verstärkt, wenn es sich an sie hängt. Ein anderes Mitglied dieser Familie, BP-1, hat sich in verschiedenen Tumoren gefunden, deshalb ist der Krebsforscher Anton Wellstein (Georgetown University) seit vielen Jahren hinter ihm her.

Nun hat er, eher nebenher, auch die Wirkung von BP-3 erkundet, er verabreichte es fettleibigen Labormäusen: Krebs bekamen sie keinen, aber sie verloren in kürzester Frist – 18 Tagen – ein Drittel ihres Gewichts. Das lag daran, dass sich BP-3 an Wachstumsfaktoren bindet, die den Stoffwechsel mit regulieren (Scientific Reports 29. 10.). Ob das auch bei Menschen so ist, könnte man ohne großen Verwaltungsaufwand testen – BP-3 ist kein Medikament, sondern ein körpereigenes Protein –, aber zu große Hoffnungen sollte man sich nicht machen: Man hat oft schon an Mäusen Vielversprechendes entdeckt – etwa Botenstoffe wie Ghrelin und Leptin –, was in Menschen dann nicht wirkte: Offenbar ist der Stoffwechsel so redundant angelegt, dass er andere Wege findet, wenn man einen beeinflusst, das macht ein Wundermittel im Kampf gegen Fett unwahrscheinlich.

Braunes Fett aktivieren!

Mehr Erfolg verspricht etwas anderes Körpereigenes, braunes Fett („brown adipose tissue“, BAT). Das lagert Energie nicht ein wie das weiße Fett („white adipose tissue“, WAT), im Gegenteil, es verschleudert sie, durch eine Art Kurzschluss, zu Abwärme. Damit heizen sich Babys, Erwachsene tun es anders – durch unbemerkte winzige Bewegungen der Muskeln –, lange vermutete man, dass sie überhaupt kein BAT mehr haben. Aber sie haben es, in geringen Mengen – etwa im Nacken –, und die können vermehrt und aktiviert werden, etwa durch Kälte, man hat das u. a. an Menschen gelernt, die gerne in eisigem Wasser schwimmen.

Das wäre eine eher abschreckende Kur, man bräuchte schon Medikamente mit der gleichen Wirkung, einen Kandidaten hat eine Gruppe um Christoffer Clemmensen (Kopenhagen) gerade identifiziert: Er heißt Icilin und ruft ein viel stärkeres Kältegefühl hervor als Menthol. Mit dem ist es nicht verwandt, es wirkt aber über die gleichen Kälterezeptoren, TRPM8. Die wieder gibt es nicht in braunem Fett, sie sitzen in der Haut, die meldet an das Gehirn, das aktiviert das BAT.

„Durch Icilin wurden sie schlanker, weil es den Energieausstoß verstärkte“, berichtet Clemmensen: „Das reicht aber nicht. Um eine negative Energiebilanz zu bekommen, muss man auch dafür sorgen, dass die Leute weniger essen.“ Dafür gibt es ein bekanntes Mittel: Nikotin dämpft den Appetit.

„Zwei plus zwei ergibt mehr als vier“

Weil sich auch das als Kur verbietet – „Rauchen macht schlank“, stand auf dem Poster mit dem Skelett –, suchte Clemmensen auch dafür Ersatz, er fand ihn in DMPPP, Dimethylphenylpiperazin. Es brachte, so wie Icilin, einen geringen Gewichtsverlust, erst die Kombination beider befreite die Mäuse in 20 Tagen von zwölf Prozent ihres Fetts (Nature Communications 25. 10.). „Zwei plus zwei ergibt mehr als vier“, schließt Clemmensen, weist aber auch darauf hin, dass der Weg von Mäusen zum Menschen lang ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2018)

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