Gentechnik

Designerbabys: Lassen sie sich verhindern?

He Jiankui hat sich mit Robert Edwards verglichen, dem Erstanwender der In-vitro-Fertilisation – Retortenbaby –, der 2010 den Nobelpreis erhielt.
He Jiankui hat sich mit Robert Edwards verglichen, dem Erstanwender der In-vitro-Fertilisation – Retortenbaby –, der 2010 den Nobelpreis erhielt.(c) APA/AFP/ANTHONY WALLACE
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Die Crispr-Kinder in China wurden von einem Physiker produziert, das Werkzeug ermöglicht das.

Ist er „Chinas Einstein“ oder „Chinas Frankenstein“? Beide Titel sind über einen 34-Jährigen im Umlauf, der vor Tagen nur wenigen bekannt war, He Jiankui. Er studierte Physik, in China, dann in den USA, dort lernte er sich auch ins Genom-Sequenzieren ein. 2012 kam er zurück, angelockt von einer Talente-Rekrutierung und davon, dass China führend ist im jüngsten Feld der Gentechnik, dem der Methode Crispr.

Die ist im derzeitigen Fünfjahresplan als Schlüsselindustrie angeführt, und in der gingen chinesische Forscher 2015 in Versuche an Menschen, sie veränderten Gene in Körperzellen. Diese „somatische Therapie“ hat Tradition, in den 90er-Jahren versuchte man sie mit älteren Methoden, es gab kaum Erfolge, und als ein 18-Jähriger in den USA bei einem Experiment starb, war sie am Ende.

Immerhin hatte sie sich an ein Tabu gehalten: Sie versuchte keine „Keimbahn-Therapien“, deren Eingriffe erblich sind und das Tor zu Menschen nach Maß öffnen. In China durchschritt man auch das schon, als man 2015 Embryos mit Crispr von einer Erbkrankheit – Sichelzellenanämie – befreite, in der Petrischale, sie lebten nicht lange.

In der Community wurde Murren vernehmlich. Es steigerte sich enorm, als Jiankui Ende November via YouTube wissen ließ, er habe zwei Babys so verändert, dass sie nicht mit HIV infiziert werden können, sie seien seit einem Monat gesund auf der Welt. Die Forscherwelt war völlig überrascht, auch diese Hilflosigkeit machte die Kritik so laut.

Tags darauf begann in Hongkong eine Crispr-Konferenz, dort berichtete Jiankui von seinem Coup: Er habe bei den Kindern Rezeptoren, an denen HIV andockt, so verändert, dass sie geschützt waren vor den Viren, die ihre Väter im Leib haben. Aber das Publikum kannte sich aus, es sah, dass jeweils nur der halbe Gensatz verändert war, es sah auch, dass die Kinder auch vor dem Eingriff vom HIV ihrer Väter verschont waren.

Die Unstimmigkeiten häuften sich, die fachlichen und die administrativen: Alle Details liegen im Dunkeln, seriös publiziert hat Jiankui seinen Menschenversuch nicht; seine Uni wusste nichts von dem Experiment, es ist unklar, wo das Geld herkam und wie sich das Ganze über neun Monate geheim halten ließ. Zuletzt kamen Gerüchte um sein Ergehen, er sei verhaftet, immerhin sind Untersuchungskommissionen mit ihm befasst.

Ratlose Community: Hilft ein Register?

Die Community erholt sich nur langsam von dem Schock und sucht Wege, Ähnliches zu verhindern, Nature schlägt „ein globales Register (oder nationale Register)“ vor, in dem präklinische Crispr-Eingriffe an Embryos verzeichnet sind, auf dass klinische rechtzeitig debattiert bzw. abgewandt werden können. Aber die Formulierung zeigt, wie wenig wahrscheinlich so ein Register ist (5. 12.).

Einen nächsten Jiankui würde es ohnehin kaum aufhalten: Offenbar ist Crispr so einfach, dass Physiker es handhaben können. Und Ruhm ist eine starke Triebkraft: Jiankui hat sich mit Robert Edwards verglichen, dem Erstanwender der In-vitro-Fertilisation – Retortenbaby –, der 2010 den Nobelpreis erhielt. Und zumindest eines weiß man noch von Jiankuis klandestinem Experiment: Es ist noch ein Kind unterwegs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2018)

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