Tropfen der Ursuppe des Universums auf Long Island?

Illustration zum Thema Urknall.
Illustration zum Thema Urknall.(c) Imago (Frank Sorge)
  • Drucken

Im US-Kernforschungszentrum in Brookhaven sollen im Teilchenbeschleuniger Relativistic Heavy Ion Collider winzige Mengen von Quark-Gluon-Plasma entstanden seien, dem Zustand der Materie, der kurz nach dem Urknall existiert haben soll. Die Argumentation ist ziemlich indirekt.

Wenn Physiker lässig von Quarksuppe sprechen, mag das nach einer norddeutschen Süßsauerspeise klingen, doch sie meinen einen Zustand der Materie, der gewiss auf keinen Teller kommt. Nein, ein Quark-Gluon-Plasma, wie man es korrekt nennt, kommt auf Erden normalerweise nicht vor, und überhaupt im heutigen Weltall kaum je. (Höchstens in Neutronensternen.) Aber ganz an dessen Anfang: in den ersten Millisekunden, ganz kurz nach dem Urknall, als die Dichte unvorstellbar groß war.

Damals, sagen die Physiker, seien die Quarks, die Elementarteilchen, die heute fest in den Protonen und Neutronen eingesperrt sind, noch frei gewesen. Eine seltsame Freiheit, die nur durch höchsten Druck ermöglicht wird! Schuld an diesem Paradoxon ist die Eigenart der starken Kernkraft, die sich die Physiker – wie in einer Quantenfeldtheorie üblich – in Form von Teilchen vorstellen, die sie diesfalls Gluonen nennen.

Ein solches Quark-Gluon-Plasma (QGP) herzustellen und zu untersuchen ist ein Zweck der riesigen Teilchenbeschleuniger. Des LHC am europäischen Teilchenlabor Cern in Genf etwa. Dort werden nicht immer Protonen aufeinandergeschossen, sondern mitunter auch Bleiionen, eben um ein QGP zu erzeugen. Natürlich nur auf allerkleinstem Raum und für sehr kurze Zeit, bis die starke Kernkraft die Quarks wieder verhaftet und die dabei gebildeten Teilchen wegfliegen. Auf die höchst ephemere Existenz eines QGP kann man immer nur aus den Bahnen und Energien dieser Teilchen schließen.

Die Kollegen am Brookhaven National Laboratory, dem US-Pendant zum Cern, berichten nun in Nature Physics (10. 12.), dass ihnen die „creation of quark-gluon droplets“ gelungen sei, und zwar in drei geometrischen Formen. Tropfen? Ja. Die theoretischen Physiker sagen, dass sich ein QGP wie eine Flüssigkeit verhält, mehr noch: wie eine ideale Flüssigkeit, praktisch ohne Zähigkeit.

Geometrische Beweisführung

Solche Miniflüssigkeiten wollen die Physiker in Brookhaven (in Long Island, New York) in drei Experimenten produziert haben, bei denen jeweils unterschiedliche Teilchen auf Goldionen prallten: Protonen, Deuteronen (Kerne von schwerem Wasserstoff, die je aus einem Proton und einem Neutron bestehen) und Helium-3-Kerne (aus je zwei Protonen und einem Neutron, die ein Dreieck bilden). Der Fluss der Teilchen, die letztlich entstanden seien, soll im ersten Fall kreisförmig gewesen sein, im zweiten Fall elliptisch und im dritten Fall von dreieckiger Form. Damit hätten die Atomkerne jeweils ihre Form direkt an den Fluss der Teilchen weitergegeben, meinen die Physiker, und das sei ein stichhaltiges Argument dafür, dass dazwischen nicht die starke Kernkraft regiert habe. Vielmehr habe dazwischen eine ideale Flüssigkeit existiert, eben QGP.

Sehr wenig davon allerdings. „Unser Ergebnis hat uns viel näher an die Antwort auf die Frage gebracht, was die kleinste Menge der Materie des frühen Universums ist, die existieren kann“, sagt ein beteiligter Physiker. Einer von ziemlich vielen: Die Autorenliste der Publikation umfasst 330 Namen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.