Abkühlung durch Aerosole geringer als vermutet

Der Aufwand, um die globale Erwärmung zu bremsen, wird höher ausfallen als bisher berechnet, mahnen Wissenschaftler am Rande der Klimakonferenz in Katowice. Sie meinen, wertvolle Zeit verrinne.

„Die Natur reagiert schneller, als wir das noch vor ein paar Jahren eingeschätzt haben“, sagt Helga Kromp-Kolb, emeritierte Universitätsprofessorin am Institut für Meteorologie der Universität für Bodenkultur (Boku). „Die gemessenen Daten spielen sich am oberen Rand der Klimamodelle ab“, so die renommierte Klimawissenschaftlerin, die zuletzt das geringe Tempo der österreichischen wie auch der internationalen Klimapolitik scharf kritisiert hatte. Durch den Mangel an Gegenmaßnahmen schaukle sich die Erwärmung auf,, dies sei ein nicht linearer Prozess, den aktuelle Klimamodelle eher unterschätzen.

„Außerdem haben wir mittlerweile festgestellt, dass die abkühlende Wirkung der Aerosole geringer ausfällt als ursprünglich angenommen“, so Kromp-Kolb. Aerosole sind kleine Partikel, die durch Umweltverschmutzung (z. B. durch Abgase aus Dieselmotoren, Ölheizungen oder Industrieanlagen) oder Vulkanausbrüche in die Atmosphäre gelangen und unter anderem die Wolkenbildung beeinflussen können.

Bis 2020 muss Ausstoß sinken

„Aerosole stehen im Fokus intensiver Forschung“, sagt auch Oksana Tarasova, Leiterin der Abteilung für atmosphärische Umweltforschung in der WMO (Welt Meteorologie Organisation). Tarasova bekräftigt die Einschätzung der österreichischen Boku-Wissenschaftlerin: „Wir haben bis 2020 Zeit. Wenn der Ausstoß von Treibhausgasen danach nicht abnimmt, ist das Ziel, Klimaerwärmung bis 2100 im globalen Durchschnitt bei maximal 1,5 Grad Celsius zu halten, nicht mehr erreichbar.“ Vor diesem Hintergrund hatte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas vor Beginn der nun zu Ende gegangenen Klimakonferenz in Katowice (COP 24) erklärt, dass ein „Window of Opportunity“ schon „beinahe geschlossen“ sei.

Für das 1,5-Grad-Ziel wäre das Erreichen der Emissionsspitze in zwei Jahren nur ein erster Schritt. Laut IPCC müssten in den darauf folgenden zehn Jahren – also bis 2030 – die durch Menschen verursachten Emissionen von Treibhausgasen um fast die Hälfte sinken (exakt: 45 Prozent), „und bis zur Mitte des Jahrhunderts muss Klimaneutralität hergestellt werden“, so Tarasova.

Die Daten weisen in die andere Richtung: Seit Beginn der industriellen Revolution vor etwa 200 Jahren sind die Emissionen von CO2 von 280 auf mehr als 400 ppm (parts per million) gestiegen. Seit 1958 wird dies auf dem Vulkan Mauna Loa auf Hawaii gemessen, allein die dort gesammelten Daten zeigen, dass innerhalb der vergangenen 60 Jahre die CO2-Konzentration um mehr als 25 Prozent zugenommen hat.

CO2-Anteil wie zuUrzeiten

Sie lag zu Beginn der Messungen bei knapp 316 ppm. „Die Änderung heute ist wesentlich schneller als jemals zuvor in der uns bekannten Erdgeschichte. Eine CO2-Konzentration von mehr als 400 ppm hat es zuletzt vor drei Millionen Jahren gegeben“, so Tarasova. Die Daten hierfür stammen aus der Paläoklimatologie, also etwa aus Eiskernbohrungen oder Sauerstoffisotopen in Tropfsteinformationen. „Selbst der Wandel von der Zwischeneiszeit zur Eiszeit (mit einem Abfall des Kohlendioxids in der Atmosphäre auf 80 ppm; Anm.)war eine Sache von 5000 Jahren.“

Für heuer rechnen die Klimaforscher mit der Zunahme der Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre um zwei Prozent, ein höherer Wert als 2017. Das zeigt das „Global Carbon Budget“, das von 76 Wissenschaftlern aus 53 Forschungsinstituten erstellt und aktualisiert wird.

Tarasova: „Wenn die maximale Treibhausgaskonzentration nicht 2020 überschritten wird, sondern erst 2030, dann ist von einer durchschnittlichen Erwärmung von zwei Grad auszugehen. Wenn dies erst 2060 eintreten sollte, dann ist bis 2100 mit drei Grad zu rechnen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2018)

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