Hoffnung für die ärmsten Teufel?

90 Prozent der wild lebenden Tasmanischen Teufel wurden bereits von einem übertragbaren Krebs getötet.
90 Prozent der wild lebenden Tasmanischen Teufel wurden bereits von einem übertragbaren Krebs getötet.Rod McGuirk / AP / picturedesk.com
  • Drucken

Forscher in Wien haben molekulare Details des Tumors erhellt, der sich unter Tasmanischen Teufeln verbreitet und sie mit Ausrottung bedroht.

Das gespenstischste aller Lebewesen pflanzt sich fort bzw. breitet sich aus, wenn ein Tasmanischer Teufel dem anderen mit den Zähnen ins Gesicht fährt. Das tun diese Tiere oft, beim Kämpfen, beim Sex, und sie tun es mit Kraft, beißen stärker als jedes andere lebende Säugetier. Aber daran kann es nicht liegen, dass die Population in den vergangenen 20 Jahren um 90 Prozent reduziert wurde und vor dem Aussterben steht, einander gebissen haben sie immer. Das haben sie überlebt, und in Tasmanien haben sie auch die Einwanderung des Menschen überlebt.

Durch Bisse übertragen

Ausgerottet wurde der Tasmanische Tiger, er war lang der größte Beuteljäger, 1936 war er weg, kurz darauf wurden die Teufel unter Schutz gestellt. Aber 1995 fiel etwas über sie her, wovor es keinen Schutz gab: Da bemerkte man erstmals einen Tasmanischen Teufel, dessen Gesicht so zerfressen war, das er selbst nicht mehr fressen konnte und verhungerte.

Es brauchte fast zehn Jahre, bis man herausfand, was dahintersteht: ein Tumor, der beim Beißen mit Schleimhautzellen aus dem Maul des Beißers auf den Gebissenen übertragen wird, man nannte das Ganze „devil facial tumour disease“ (DFTD). So etwas gibt es sonst nur bei Syrischen Hamstern – und, in einer milderen Form, bei einem Krebs, dem „transmissiblen venerischen Tumor“ (TVT), der bei Hunden beim Sex übertragen werden kann – und bisher hat weder die Natur noch der Mensch ein Mittel dagegen gefunden: Diese Tumorzellen sind immer die gleichen – es ist wirklich ein Krebs, der seit den 20 Jahren von einem Körper auf den anderen geht und wächst und wächst –, und das Immunsystem erkennt sie nicht als körperfremd, weil die genetischen Marker dafür – die des MHC-Komplexes – bei den Tasmanischen Teufeln sehr schwach ausgeprägt sind und weil der Genpool dieser Tiere ohnehin sehr eng ist. Deshalb ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Tumor sich über alle ausbreitet und sie – und sich – zu Tode bringt.

Hyperaktive Rezeptoren

Und deshalb versucht man, zumindest einige der Tasmanischen Teufel zu retten, indem man sie auf entlegene Inseln bringt. Aber nun haben Forscher in Wien einen neuen Anlauf unternommen, den Spuk in seinen molekularen Details zu erhellen. Dabei ist die Gruppe um Andreas Bergthaler (CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) und Richard Moriggl (Veterinärmediznische Universität Wien) an Zellen dieses Tumors auf eine Kaskade gestoßen: Die Zellen haben in ihrer Membran einen extrem aktiven Rezeptor (ERBB), dessen Signale gehen nach innen an ein Schlüsselprotein (STAT3), und das sorgt, auf noch nicht ganz klaren Wegen, für dreierlei: Die MHC-Signatur wird noch schwächer, im Gegenzug wird die Teilungsrate der Zellen erhöht und zugleich dafür gesorgt, dass sich Metastasen bilden können („Cancer Cell“, 14. 1.).

Und in dieses Geschehen kann man, zumindest im Labor an Zellkultur, eingreifen, indem man den ERBB-Rezeptor blockiert. „Durch eine Inhibierung durch ein Medikament können die Krebszellen gezielt getötet werden. Dies könnte eine wichtige Rolle spielen, um diesen übertragbaren Tumor zu behandeln, bevor der Tasmanische Teufel völlig ausgerottet ist“, hofft Lindsay Kosack, Ko-Erstautor vom CeMM.

Und die Hoffnungen reichen noch weiter: Bei Menschen gibt es übertragbare Tumore nicht, man kann sich nur manche indirekt zuziehen, mit Viren, die Tumore auslösen, Papillomaviren vor allem; direkte Übertragungen sind höchst selten, etwa bei Chirurgen, die Tumore operieren, oder bei Empfängern von Organtransplantaten. Aber auch bei den Tumoren des Menschen ist STAT3 oft ein Schlüsselspieler: „99,1 Prozent des STAT3-Proteins des Tasmanischen Teufels sind mit dem des Menschen identisch“, erklärt Bergthaler: „Und viele der Gene, die von STAT3 in den Tieren aktiviert werden, sind in menschlichen Krebsarten ebenfalls aktiv.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.