Was sind die besten Biotope? Bohrinseln

Eine Ölplattform - besser als ihr Ruf.
Eine Ölplattform - besser als ihr Ruf.(c) Reuters
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Besser als ihr Ruf: Ölplattformen schaffen perfekte künstliche Riffe. Und es ist ganz falsch, sie abzutragen.

Sie gelten als Symbol für Umweltsünden, als Mahnmal für die Hybris des Menschen: Bohrinseln im Meer. Naturschützern sind sie ein Dorn im Auge. Wir verbinden sie mit Ölkatastrophen, Lecks, verseuchten Gewässern und Vögeln, die mit von Teer verklebten Flügeln elend verrecken. Immerhin: Wenn sie nach 20 bis 30 Jahren endlich ausgedient haben, zwingen wir die Energiekonzerne, sie zu hohen Kosten zu entfernen. Aber das ist, wie Forscher nun zeigen, ganz falsch – gerade aus ökologischen Gründen.

Denn ihre bis zu 300 Meter tiefen Substruktionen machen Bohrplattformen zu künstlichen Riffen. An ihren Rohren, Stangen und Betonziegeln haften Tausende Pflanzen und Tiere. Weil durch das Gerüst Wasser strömt und Nährstoffe liefert, gedeihen sie dort bestens. Was wiederum große Mengen an Fischen anzieht, die reiche Beute finden. Wie auch die Hochseefischer. Aber sie richten an diesen vertikalen Lebensräumen nur wenig Unheil an – anders als am Meeresboden, den sie mit ihren schweren Schleppnetzen umpflügen und so vielerorts in Wüsten ohne Leben verwandeln.

Gilt auch für Offshore-Windparks

So werden Bohrinseln zum Zufluchtsort, und „in Bezug auf Fische“ zu den „produktivsten Biotopen der Welt“. Nachzulesen in der ersten umfassenden Studie zum Phänomen, verfasst von Meeresbiologen der Universität von Kalifornien in Santa Barbara unter der Ägide von Ann Scarborough Bull (Ocean and Coastal Management, 31.1.). Ihre Einschätzung teilten aber schon davor 95 Prozent der Experten, wie eine Umfrage vorigen Sommer ergab. Im dazugehörigen Artikel appellierten dänische Autoren an die EU-Umweltbehörden, ihre Praxis zu überdenken. Ausgediente Plattformen in der Nordsee werden bisher komplett entsorgt, das gebietet Brüssel. Auch weltweit ist es übliche Praxis. Nur im US-Teil des Golfs von Mexiko lässt man bei einigen von ihnen den Teil unter Wasser stehen. An jedem dieser Relikte hängen „Tausende Tonnen an Meereslebewesen“.

Es geht auch um viel Geld: 7500 Plattformen zur Gewinnung von Erdöl und Erdgas sind auf den Weltmeeren im Einsatz. Dazu kommen schon bis zu 20.000 Offshore-Windparks, die ebenfalls als Riffe dienen. Alle diese Konstruktionen komplett abzubauen und zu entsorgen, kostet nach Schätzungen bis zu 100 Mrd. Euro. Wesentlich günstiger ist es, wenn die Errichter nur den Teil über Wasser demontieren und den Rest von fossilen und anderen Rückständen reinigen. In den USA ist es schon geübte Praxis, dass die Ölkonzerne die Hälfte der Kostenersparnis dem Staat abliefern müssen – womit auch der Steuerzahler etwas davon hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2019)

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