Wie der Darm das Gemüt beeinflusst

Symbolbild: Kind liegt am Bauch seiner Mutter
Symbolbild: Kind liegt am Bauch seiner Mutter(c) imago/PhotoAlto (Anne-Sophie Bost)
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Die Bakterien in uns produzieren auch Stoffe, die im Hirn wirken.

Das Bauchgefühl sagt's uns: Der Bauch beeinflusst unser Gefühlsleben. Und zwar ganz konkret über seine Bewohner, die Darmbakterien, von denen wir zehnmal so viele in uns haben wie eigene Körperzellen. Mikrobiom nennt man das Kollektiv der uns besiedelnden Bakterien, viele leben auf der Haut, aber die meisten eben im Darm. Die Erforschung dieses Mikrobioms ist derzeit en vogue in der Humanbiologie, soeben sind zwei einschlägige Arbeiten in Nature Biotechnology (4. 2.) erschienen: Eine beschreibt die Entdeckung von über hundert neuen Arten von Darmbakterien, die andere die Sequenzierung von 1520 solcher Einwohner unserer Eingeweide.

Was tun diese Wesen in uns? Sie essen mit uns mit, oft helfen sie uns verdauen (weil sie Enzyme haben, die uns fehlen, z. B. zum Zerlegen von Zellulose), mitunter schleicht sich ein Stamm ein, der krank macht. Sie alle scheiden Moleküle aus, darunter solche, die in unserem Hirn aktiv werden: als Neurotransmitter (z. B. Serotonin oder γ-Aminobuttersäure), als Hormone (z. B. Cortisol) oder auf sonstige, teils ungeklärte Art als Botenstoffe. So gibt es Indizien dafür, dass von den Bakterien ausgeschiedene Buttersäure (die wir kennen, weil sie in größerer Konzentration so stinkt) auf die Mikroglia im Hirn (siehe Artikel unten) wirkt.

Weniger Buttersäure bei Depression

Mikrobiologen um Jeroen Raes (Leuven, Belgien) verglichen nun im „Flemish Gut Flora Project“ an über 1000 Menschen deren Mikrobiome mit ihrer Neigung zur Depression und ihrer allgemeinen seelischen Gesundheit. Sie fanden laut Nature Microbiology (4. 2.) etliche Zusammenhänge: So haben Depressive im Darm weniger Bakterien, die Buttersäure produzieren (Coprococcus und Dialister); die Fähigkeit der Darmbakterien, das mit dem Neurotransmitter Dopamin verwandte Molekül Dopac zu produzieren, korreliert mit der Lebensfreude der Menschen, die von ihnen bewohnt werden.

Die von den Bakterien ausgeschiedenen neuroaktiven Moleküle wirken teils gleich direkt im Darm, der ja viermal so viele Nervenzellen enthält wie das Rückenmark; Serotonin etwa, aufgrund seiner Wirkung im Kopf oft als Glückshormon bezeichnet, regt die Bewegung des Darms, die Peristaltik, an. Wenn man also die biochemische Produktion der Darmbakterien daraus erklären will, dass sie diesen Vorteile bringt, wird man zunächst an solche Wirkungen denken. Wiewohl die Idee, dass die Bakterien in ihrem eigenen Interesse Geist und Seele ihrer Wirte manipulieren, schon einen grusligen Reiz hat. (tk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2019)

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