Mathematik: Die erste Frau mit Abelpreis

Vor einer Tafel mit vielen Ableitungen: Karen Uhlenbeck, geboren 1942 in Cleveland, Ohio.
Vor einer Tafel mit vielen Ableitungen: Karen Uhlenbeck, geboren 1942 in Cleveland, Ohio. APA/AFP/Norwegian Academy of Sci
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Karen Keskulla Uhlenbeck bekam eine der zwei höchsten Auszeichnungen für Mathematik. Sie hat neue Verbindungen zwischen Geometrie und Analysis gefunden.

Lost in Math – How Beauty Leads Physics Astray“: Dieses Buch, in dem die deutsche Physikerin Sabine Hossenfelder der heutigen theoretischen Physik vorwirft, zu sehr in die Schönheit der Mathematik vernarrt zu sein, wird derzeit heftig diskutiert. Wenn nun Karen Uhlenbeck, eine US-Mathematikerin, deren Arbeiten oft von physikalischen Problemen ausgehen, als erste Frau den Abelpreis (benannt nach dem norwegischen Mathematiker nach Niels Henrik Abel) bekommen hat, passt das gar nicht so schlecht zu dieser Debatte. Und könnte sie ein bisschen zurechtrücken.

Denn so geistreich Hossenfelders Polemik ist, auch sie weiß, wie wichtig das Streben nach mathematischer Schönheit für die Entwicklung der Physik war. Karen Uhlenbeck hat einmal herzlich ausgedrückt, wie sie von der Physik, sie sie anfangs studiert hatte, zur Mathematik gekommen ist: „Struktur, Eleganz und Schönheit der Mathematik hat mich sofort in ihren Bann gezogen, und ich habe mein Herz an sie verloren.“

Mathematische Schönheit, das ist nicht zuletzt Symmetrie. 2016 hielt Karen Uhlenbeck am Institute for Advanced Study in Princeton eine Vorlesung mit dem Titel „Symmetry and Conservation Laws“: eine Würdigung der großen deutsche Mathematikerin Emmy Noether (1882–1935), deren Arbeiten bis heute eine wesentliche Grundlage der theoretischen Physik sind. Noether war übrigens die erste Frau, die beim internationalen Mathematikerkongress einen Plenarvortrag hielt, das war 1932, erst 1990 tat dies wieder eine Frau: Karen Uhlenbeck.

Ihre ersten Arbeiten befassten sich mit harmonischen Abbildungen, das sind Lösungen bestimmter Extremwertprobleme. (Das Wort kommt wohl manchen aus dem Gymnasium bekannt vor, bei einem solchen Problem sucht man nach dem Minimum oder Maximum einer Funktion.) Ein anschauliches Beispiel wäre ein Gummiband, das um eine Kugel gespannt ist: Wenn es das auch bleibt, wenn man es loslässt, wird seine Lage durch eine harmonische Abbildung beschrieben, anders gesagt: Sein elastisches Potenzial ist in einem Minimum.

Entfernbare Singularitäten

Uhlenbeck untersuchte solche harmonischen Abbildungen für Objekte, die durchaus komplizierter als eine Kugel und ein eindimensionales Gummiband sind. Objekte, die auch Löcher haben und Blasen bilden können. Die mathematische Disziplin, die bei geometrischen Objekten – frech überspitzt gesagt – zuerst darauf schaut, wie viele Löcher sie haben, ist die Topologie. So verband Uhlenbeck Topologie und Geologie mit Analysis, also der altehrwürdigen Disziplin, in der es um Funktionen (inklusive Differenzieren und Integrieren) geht. Und so prägte sie – gemeinsam mit Jonathan Sacks – ein neues Genre der Mathematik: geometrische Analysis. „Das hat mich immer angezogen, ein Bereich zwischen Bereichen“, sagte sie in einem Interview: „Es war wie von einem Deck zu springen, wenn man nicht weiß, was passieren wird.“
Verbindungen zu Geometrie und Topologie fand Uhlenbeck auch in einem Thema aus der Physik: den Yang-Mills-Gleichungen, die die starke und schwache Kernkraft beschreiben sollen, ähnlich wie die Maxwell-Gleichungen den Elektromagnetismus beschreiben. Für diese Gleichungen bewies sie ihren berühmten „Satz der entfernbaren Singularitäten“, der für Physiker, für die Singularitäten ja etwas Unheimliches haben, beruhigend wirken kann.

Hat Uhlenbeck je eine gläserne Decke über sich gespürt? Als sie an der Brandeis University (wo sie 1968 promovierte), am MIT und in Berkeley begann, gab es dort nur wenige Mathematikerinnen. „Man erzählte uns, dass wir keine Mathematik könnten, weil wir Frauen waren“, erinnerte sie sich später: „Aber mir gefiel es zu tun, wofür ich nicht vorgesehen war, es war eine Art legitimer Rebellion.“ Nach Bekanntgabe des Abelpreises erklärte sie, sie sei sich bewusst, dass sie ein „role model“ für junge Mathematikerinnen sei: Das sei nicht leicht, wichtig sei ihr, stets zu zeigen, wie Menschen unvollkommen und trotzdem erfolgreich sein können: „Ich bin vielleicht eine wunderbare Mathematikerin und dafür berühmt, aber ich bin auch ziemlich menschlich.“

Mathematikpreise

Der Abelpreis wird seit 2003 jährlich durch die Norwegische Akademie der Wissenschaften verliehen. Er ist mit sechs Millionen norwegischen Kronen (etwa 700.000 Euro) dotiert. Es gibt keine Altersbeschränkungen. Diesen Preis hat bisher noch nie eine Frau bekommen.
Die Fields-Medaille wird seit 1950 alle vier Jahre von der Internationalen Mathematischen Union an zwei bis vier Mathematiker verliehen, die jünger als 40 Jahre sind. Das Preisgeld beträgt 15.000 kanadische Dollar (ca. 10.000 Euro). Bisher hat nur eine Frau diese Medaille bekommen: die Iranerin Maryam Mirzakhani 2014.

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