1919 durften Frauen erstmals Technik studieren

Die TU-Rektorin, Sabine Seidler, ist seit mittlerweile 2011 im Amt und wurde bereits für ihre dritte Periode bis 2023 wiedergewählt.
Die TU-Rektorin, Sabine Seidler, ist seit mittlerweile 2011 im Amt und wurde bereits für ihre dritte Periode bis 2023 wiedergewählt.(c) Akos Burg
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Zum heurigen 100-Jahr-Jubiläum beleuchtet ein Sammelband die Frauengeschichte an der Technischen Universität (TU) Wien. Nach wie vor ist „der Ingenieur“ fest in den Köpfen verankert.

Im Mai 1919 wandte sich Hermine (Herma) Wranitzky zum wiederholten Male an das Unterrichtsministerium. Sie besuchte die TU Wien als Gasthörerin in Maschinenbau und wollte endlich ganz offiziell Prüfungen ablegen. Die Politik beschäftigte sich seit September 1918 mit der Frage der Zulassung von Frauen zum ordentlichen Studium. Während die Technischen Hochschulen dies befürworteten, legten sich die Länder quer. Frauen würden sich mangels Autorität, Tatkraft und Entscheidungsfähigkeit nicht für den praktischen Dienst eignen, befanden etwa die Landesregierungen in Kärnten und Tirol.

Mit dem politischen Systemwechsel – im März konstituierte sich die „Republik Deutschösterreich“ – wurde auf eine Einigung mit den Ländern verzichtet. Der Unterstaatssekretär für Unterricht Otto Glöckel erließ mit 7. April 1919 eine Verordnung, mit der die Zulassung von Frauen zum ordentlichen Studium an Technischen Hochschulen ermöglicht wurde. Im Juli 1919 erhielt Wranitzky grünes Licht, sie inskribierte als erste Studentin der Technischen Hochschule. 1924 legte sie die Erste Staatsprüfung ab. Sie war eine von 20 Frauen, die im Herbst 1919 neben 5000 Männern als ordentliche Hörerinnen zugelassen waren. „Diese Frauen müssen wahnsinnig tough gewesen sein, sonst hätte ihnen das Studium vermutlich keine Freude bereitet“, schreibt die heutige Rektorin der TU Wien, die Werkstoffwissenschaftlerin Sabine Seidler, in der Publikation zum 100-Jahr-Jubiläum über die Pionierinnen. Bis in die 1970er-Jahre lag die Frauenquote mit Ausnahme der Kriegsjahre 1943 bis 1945 unter zehn Prozent. Die erste Frau habilitierte 1940, und Seidler wurde 1996 als erste ordentliche Professorin berufen.

Frauenquote unter 20 Prozent

Aber auch nach hundert Jahren sind technische Studien hierzulande „Männersache“. Immer noch werden Frauen als Ausnahmeerscheinung gesehen. „In den klassischen ,Ingenieurswissenschaften‘ sowie in der Informatik liegt der Anteil der Studentinnen fast durchgehend bei unter zwanzig Prozent“, weiß Anna Steiger, Vizerektorin für Personal und Gender, an der TU Wien. „Kaum ein Berufsbild ist so hartnäckig männlich konnotiert wie ,der Ingenieur‘.“

Damit bis zur gelebten Gleichberechtigung nicht noch einmal hundert Jahre vergehen, fordert Steiger gezielte Förderung von Mädchen auf jeder Ebene des Bildungssystems und offensives Handeln. Die neue Publikation lädt dazu ein, sich diesbezüglich bei Pionierinnen wie Herma Wranitzky eine Scheibe abzuschneiden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2019)

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