Wenn Ausschalten nicht genügt

(c) Michaela Bruckberger
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Es ist ebenso bekannt wie absurd: Elektronische Geräte im Stand-by-Betrieb brauchen immer noch gehörig Energie – manche sogar dann, wenn sie ausgeschaltet sind. Auch ein angestecktes Handy-Ladegerät verbraucht Strom.

Es ist ebenso bekannt wie absurd: Elektronische Geräte im Stand-by-Betrieb brauchen immer noch gehörig Energie – manche sogar dann, wenn sie ausgeschaltet sind. Laut Schätzungen entsteht etwa der Großteil des Stromverbrauchs von Handys nicht beim Aufladen, sondern danach, wenn das Handy bereits wieder in der Tasche ist, aber das Ladegerät angesteckt bleibt.

Letzteres verbraucht nämlich weiterhin Strom. Weitere Problemkandidaten sind Computerlautsprecher, Stereoanlagen, Wlan-Modems und Satellitenreceiver. 15 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in privaten Haushalten könnten 2030 (laut Internationaler Energieagentur) von solchen Geräten stammen, die entweder auf Stand-by oder im Off-Modus sind, also ausgeschaltet.

Diesen Stromfressern auf die Spur zu kommen ist das Ziel des EU-Projektes „Selina“ (für „Stand-by and Off-Mode Energy Losses in New Appliances“). In zwölf EU-Ländern werden die Verluste von 6000 Elektrogeräten ermittelt. Damit sollen die Auswirkungen der bestehenden EU-Richtlinien kontrolliert werden, die höchstzulässige Stand-by-Grenzwerte vorschreiben.

Die TU Graz ist mit dabei und analysiert 500 repräsentative Geräte in Österreich. Laut Ernst Schmautzer vom Institut für Elektrische Anlagen wird das Problem in Zukunft nicht kleiner werden: „Wir können davon ausgehen, das die Stand-by- und Off-Mode-Verluste künftig steigen werden, denn einerseits haben immer mehr Geräte Zusatzfunktionen wie einen Netzwerkanschluss und andererseits gibt es laufend neue Produkte auf dem Markt, die verschieden kombinierbare Zusatzfunktionen ausführen können.“ Die europaweiten Messungen sollen noch heuer abgeschlossen werden.

Das Einsparungspotenzial bis 2020 in der EU wird mit 30 Millionen Tonnen CO2 angegeben. Ist das viel oder wenig? Ein Vergleich: Das Beheizen einer Wohnung schlägt mit etwa zwei Tonnen CO2 pro Jahr zu Buche. Ein Erfolg des Selina-Programms hätte also, grob geschätzt, eine ähnliche Wirkung, als würde man eine ganze Millionenstadt CO2-neutral heizen. Angesichts von 36 Gigatonnen CO2, die der Mensch jährlich in die Atmosphäre pumpt, ist das zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Doch, wie Schmautzer sagt: „Es handelt sich hier um einen Energieverbrauch, der schlicht und einfach nicht notwendig ist. Wenn die Hersteller ihre Produkte mit einfachen und preiswerten Maßnahmen optimieren, haben alle etwas davon.“

Ziel des Projektes ist neben einer Datenbank mit den genauen Verbrauchsdaten die Erstellung eines Leitfadens sowie das Finden geeigneter politischer Maßnahmen.

Auch wenn es nur wenige Watt oder Zehntelwatt sind: Die Bequemlichkeit, mit der Fernbedienung ein Elektrogerät einschalten zu können, bringt einen hohen Stromverbrauch mit sich.

Zwei Donaukraftwerke laufen allein in Österreich nur dafür, um den Stand-by-Verbrauch zu decken. Die EU zwingt die Hersteller durch eine Richtlinie, diese Verluste zu minimieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2010)

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