Ökologie: Essen wir die Erde auf?

(c) Michaela Bruckberger
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Der Fleischbedarf steigt stark und die Erde wird immer wärmer. Die damit verbundenen Umweltkosten sind hoch. Ob sie technisch in Grenzen gehalten werden können oder nur durch Vegetarismus, ist umstritten.

Wenn wir uns über Fleisch hermachen, wird uns nach dem ersten Bissen warm, es liegt am „heat increment of food“, das ist die Abwärme, die beim Verdauen frei wird, sie ist bei Fleisch hoch, weil es mehr und komplexere Proteine hat als Pflanzen. Und schon bevor wir uns über Fleisch hermachen, wird der Erde warm, nicht nur weil wir immer mehr werden – eine Stabilisierung der Weltbevölkerung kommt erst zur Jahrhundertmitte –, sondern auch weil immer mehr nach Fleisch rufen.

Dabei ist die Umweltbilanz der Ernährung schon heute bedrohlich: Ihr Beitrag zu den Treibhausgasen – alles inklusive, vom Treibstoff für den Traktor über das Methan der Rinder/Reisfelder bis zur Umwandlung von Wald in Ackerland – wird auf 17 bis 31 Prozent geschätzt. Bei weniger debattierten, aber drängenderen Umweltfragen sieht es noch düsterer aus: Die Erde wird zunehmend überdüngt, der Mensch bringt mehr Stickstoff in Ökosysteme ein als die Natur; im Gegenzug holt er mehr aus ihrer heraus als jeder andere: 24 Prozent der Primärproduktion – das ist das, was die Pflanzen bringen – werden von ihm verbraucht, zwölf Prozent für die Ernährung.

„Nutztier-Revolution“

In der liegt das Fleisch am schwersten auf dem Magen der Umwelt: Seine Produktion brachte anno 2000 14 Prozent der Treibhausgase, 63 Prozent des Stickstoffs und 58 Prozent des Verbrauchs der Primärproduktion. Und sie befindet sich in etwas, was „Nutztier-Revolution“ heißt, aber „Explosion“ heißen sollte: Die Mittelschichten der Schwellenländer konsumieren zunehmend Fleisch, das wird den Verbrauch bis 2030 um 68 Prozent steigern (gegenüber 2000) und die Ökosysteme endgültig überfordern. Vermeiden ließe sich dies nur, wenn die Ernährung radikal umgestellt würde – auf Pflanzen –, rechnet Nathan Pelletier (Hallifax) vor (Pnas, 6.10.).Also zur Weltrettung Vegetarier werden/bleiben?

Nicht nötig, beruhigt Henning Steinfeld (Welternährungsorganisation FAO) in einem Kommentar zu Pelletier: Man müsse nicht beim Konsum ansetzen, in der Produktion sei Luft genug, durch Intensivierung des Futteranbaus und Umstieg beim Fleisch, vom langsam wachsenden und Methan emittierenden Rind auf Schwein (und Geflügel): Dadurch sei von 1961 bis 2001 eine Steigerung der Fleischproduktion um 245 Prozent gelungen und man habe nur 30 Prozent mehr Land gebraucht (Pnas, 6.10.).

Die einen Zahlen sehen so solide aus wie die anderen, Nachprüfen ist schwer. Wie auch immer, es gibt einen dritten, sofort beschreitbaren Weg: In den USA landen 27Prozent des Essens im Müll. Würden sie verzehrt, bilanziert Michel Webber (University of Texas), würden zwei Prozent des US-Energieverbrauchs gespart (Environ. Sci. Technol. 44, S.6464).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2010)

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