Sprung nach Beute: Jagen Füchse mit Magnetsinn?

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Wenn Füchse bei der Jagd ihre Beute nicht sehen könne, springen sie hoch und greifen von oben an. Am erfolgreichsten sind sie bei Sprüngen Richtung Norden.

Wenn Füchse auf der Pirsch etwa nach Mäusen sind, aber sie nicht sehen – weil sie entweder durch hohe Vegetation gedeckt sind oder sich unter Schnee verborgen halten –, zeigen sie eine eigenartige Jagdtechnik: Sie schleichen sich an, mit spitzen Ohren, dann springen sie weit und hoch und überraschen die Beute von oben, lassen sich auf sie fallen (und bei Schnee in ihn hinein, ein BBC-Video zeigt es auf YouTube, unter: „Amazing Fox Snow Dive“).

„Mausen“ nennen das die Jäger, für sie ist es nichts Besonderes. Aber manche werden sich schon gewundert haben, dass die Füchse eine Himmelsrichtung bevorzugen: „Sie versuchen, nach Norden zu springen“, berichtet Hynek Burda (Universität Duisburg-Essen), „und sie sind bei Sprüngen in diese Richtung auch erfolgreicher“: 74 Prozent der gelungenen Sprünge gingen nach Norden, nach Süden noch 15, gen Osten und Westen hingegen ist die Trefferquote vernachlässigbar.

Auch Rinder haben es mit dem Norden


Das kann nur einen Grund haben, das Magnetfeld der Erde bzw. die Orientierung daran. Viele Tiere, die im Dunkeln unterwegs sind, nutzen es, Zugvögel am nächtlichen Himmel, Meeresgetier in lichtlosen Tiefen, auch Säuger, die in der Erde hausen, Nacktmulle etwa. Aber Säuger oben auf ihr? 2008 überraschte Burda das erste Mal: Er hatte – mit Google Earth – etwas bemerkt, was allen früheren Beobachtern entgangen war: Rinder richten sich bevorzugt nach Norden aus, Hirsche tun es auch, sie legen sich sogar gerne zum Schlafen in diese Richtung (Pnas, 105, S. 13.451). Das zog Kritik auf sich, Burda konnte sie entkräften: Das Verhalten tritt nicht auf, wenn Stromleitungen in der Nähe sind und das Magnetfeld stören (Pnas, 106, S. 5708). Aber eine Erklärung hatte er nicht.

Vielleicht kommt sie nun auf einem Umweg: 23 Fuchskundige – Wildbiologen und Jäger – haben von April 2008 bis September 2010 84 Füchse an 65 Orten in Tschechien beobachtet. 592-mal fiel ein Mausen ins Auge, in 1117 Fällen führte es zum Erfolg, unabhängig von der Tages- und Jahreszeit, von Wind und Wetter. Aber in drei Viertel dieser Erfolge war der Sprung eben nach Norden gegangen. „Wir vermuten, dass das Magnetfeld beim Messen des Abstands zur Beute hilft“, erklärt Burda: „Das könnte über die Inklination funktionieren.“ Die Inklination ist der Neigungswinkel des Magnetfelds zur Horizontalen: An den Polen gehen die Feldlinien mit 90 Grad aus der Erde heraus bzw. in sie hinein, über dem Äquator läuft das Magnetfeld parallel zur Erdoberfläche (Inklination: null Grad), dazwischen stuft es sich ab. Das hilft etwa Zugvögeln, sie orientieren sich an Änderungen des Winkels.

Aber Füchse, die immer unter der gleichen Inklination jagen? „Eine Analogie bietet unser Körperschatten: Wenn die Sonne von schräg hinten auf uns scheint, geht unser Schatten immer in gleichem Abstand vor uns her, wir können abschätzen, wie viele Schritte wir zu unserem ,Schattenkopf‘ brauchen würden“, erläutert Burda. Aber welche „Schatten“ werfen inklinierte Magnetlinien? Man vermutet, dass sie bei vielen Tieren das Auge beeinflussen: einen Punkt des Blickfelds trüben oder aufhellen oder anders färben. Mit diesem Punkt könnten die Füchse die Entfernung zur Beute schätzen – und so den Hauptsinn der Jagd im Unübersichtlichen, das Gehör, ergänzen. Funktionieren könnte das, wegen der Lage des Magnetfelds, aber nur in Nord-Süd-Richtung.

Messen der Fluchtdistanz


Vorerst ist das Spekulation, und Burda hat noch alternative Ideen: Ein Magnetsinn könnte die Konzentration fördern oder direkt das Auge stärken – es gibt Hinweise darauf, dass Menschen besser sehen, wenn sie nach Norden blicken –, „aber die Gutachter der Forschungsarbeit waren vom Entfernungmessen so begeistert, dass sie das andere gar nicht im Text sehen wollten.“ Und wenn es das Entfernungmessen ist, dann könnte es auch bei den Rindern und Hirschen so sein: Sie würden die Distanz messen, ab der sie vor herannahenden Räubern flüchten müssen (Biology Letters, 12. 1.).

("Die Presse", Printausgabe, 12.1.2011)

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