Wirtschaftsgeschichte: Wandernde Ziegler

Wirtschaftsgeschichte Wandernde Ziegler
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Eines muss man den Römern lassen: Organisieren konnten sie perfekt. Um das römische Juvavum (Salzburg) lag ein Gewerbegürtel mit zahlreichen Gutshöfen, die unter anderem Ziegel erzeugten.

„Wir sehen, dass in römischer Zeit eine optimale Nutzung von Betriebsanlagen, Rohstoffen und Infrastruktur üblich war“, fasst der Altertumsforscher Wolfgang Wohlmayr der Universität Salzburg seine Forschungsergebnisse zusammen. Seit 2008 führt er mit seinen Kollegen des Fachbereiches für Altertumswissenschaften, Landesarchäologen des Salzburg-Museums sowie dem Projektpartner, dem Österreichischen Forschungszentrum Dürrnberg, auf dem Gelände eines römischen Gutshofes in Pfongau bei Neumarkt am Wallersee archäologische Untersuchungen durch. Die jüngsten Ausgrabungen haben zwei Brennöfen zur Herstellung von Ziegeln zutage gefördert, die Interessantes über den Wirtschaftskreislauf der Umgebung verraten.

Juvavum, die Vorgängersiedlung der heutigen Stadt Salzburg, war in den ersten drei Jahrhunderten nach Christus von zahlreichen Gutshöfen, den „villae rusticae“, umgeben. Auf diesen großen Landgütern wurden sowohl Lebensmittel als auch verschiedene Gerätschaften, Lederwaren oder Ziegel erzeugt. Die Wissenschaftler sprechen von einem Gewerbegürtel, der die Stadt damals umgab.

„Geografisch bildet das Alpenvorland optimale Siedlungsbedingungen mit fruchtbaren Böden und den bei römischen Landgütern gern genutzten Terrassenlagen oberhalb von Flüssen“, so Raimund Kastler, Landesarchäologe am Salzburg-Museum über die Vorteile, die das Land rund um Juvavum bot. Die Römer siedelten sich meist an strategisch und klimatisch günstigen Plätzen an, etwa in der Nähe von größeren Straßen oder auf sonnigen Terrassen über dem Salzachtal. Mit rund 100 Gutshöfen im Flachgau, Chiemgau sowie den nördlich und östlich anschließenden Gebieten bis zum Attergau fanden sich im Vergleich zu anderen Stadtterritorien sehr viele villae rusticae um Juvavum.


Absatzmarkt. Unter Kaiser Claudius (41–54 n. Chr.) wurde Juvavum zur autonomen Stadt erhoben, wodurch ein entsprechender Absatzmarkt gegeben war. Der Limes, die an der Donau gelegene römische Reichsgrenze, bildete mit seinen Militärstationen einen weiteren Abnehmer von Waren unterschiedlichster Art. Die römischen Landgüter hatten einen hohen Lebensstandard. Dazu gehörten neben Bädern auch wertvolles Tafelgeschirr, importierte Luxusgüter wie Gewürze, Weihrauch und Olivenöl sowie Mosaike, Bodenbeläge, Wandmalereien. Und – etwas, was nicht erst in der Neuzeit erfunden wurde, sondern woran sich schon so mancher Römer erfreute: Fußbodenheizungen.

„Die beiden von uns freigelegten Brennöfen dienten der Fertigung von Ziegeln. Und zwar wurden neben Dachziegeln eben auch Spezialziegel für die Fußbodenheizungen hergestellt“, erklärt Felix Lang, Experte für römische Wirtschaft an der Uni Salzburg. „Dass im Wirtschaftstrakt eines römischen Landgutes zwei Brennöfen gefunden wurden, lässt wichtige Rückschlüsse auf das Wirtschaftsleben im ländlichen Raum zu.“ Denn mit den Brennöfen konnten pro Tag rund 250 Ziegel produziert werden – also weit mehr, als für den Eigenbedarf notwendig gewesen wäre. Damit wurden wohl auch umliegende Landgüter versorgt, wahrscheinlich in einem Umkreis von einer mit dem Ochsenkarren bewältigbaren Tagesreise von etwa 20 Kilometern. Die Ziegelproduktion war also für den landwirtschaftlichen Betrieb mit seiner Getreide- und Viehwirtschaft eine Art Zu- oder Nebenerwerb.

Für die Produktion wurde Lehm verwendet, der in der Gegend reichlich vorhanden war. Die Lehmziegel waren preiswert, hatten eine gute Qualität und variierten in Format und Form: Mit Flachziegeln mit Randleisten und gewölbten Deckziegeln deckten die Römer ihre Dächer, großformatige Platten dienten als Fußbodenbelag, quadratische oder runde Tonplatten als Heizungsstützpfeiler, segmentförmige Ziegel wurden für Säulen oder im Querschnitt rechteckige Tonröhren für die Wandheizung verwendet.


Profis zu Besuch. Doch das Ziegelbrennen war nicht jedermanns Sache. Dazu waren spezielle Kenntnisse im Ofenbau und in der Brenntechnik erforderlich. Deshalb blieb die Ziegelproduktion spezialisierten Zieglern vorbehalten. Die Gutsbesitzer stellten wandernden Zieglern die dafür notwendigen Materialien wie Tongruben und Betriebsanlagen zur Verfügung, die selbstständig von den Zieglern in Betrieb genommen wurden. Die Ziegler produzierten die in einem Werkvertrag festgesetzte Menge an Ziegeln, im Gegenzug dafür bekamen sie Naturalien oder Geld.

Die Ergebnisse aus den Grabungen fließen in das Gesamtprojekt zur Erforschung der römischen Wirtschaft im nördlichen Noricum unter der Leitung von Wolfgang Wohlmayr ein. „Zu den Gebäuden und Bodenfunden wollen wir zusätzlich noch Informationen über klimatische, wirtschaftliche und gewerbliche Strukturen der Römerzeit sammeln“, erläutert Lang.

Die römische Villa von Pfongau/Neumarkt ist den Wissenschaftlern schon seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Bei den ersten Grabungen 1880 wurden Mosaikböden freigelegt – die heute leider verschollen sind. In den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde nahezu der gesamte Bereich der Wohngebäude mit einem Gewerbegebiet überbaut, ohne dass vorher archäologische Grabungen durchgeführt werden konnten.

Seit 2008 werden im Rahmen einer wissenschaftlichen Kooperation Grabungen im Wirtschaftsbereich der villa rustica von Pfongau betrieben. In den Jahren 2008 und 2009 wurden von der Pfongauer Villa rund 2500 Quadratmeter ausgegraben und archäologisch untersucht. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass es sich bei den Gebäuden um Speicherbauten beziehungsweise um Werkstätten und Produktionsbetriebe handelt.

Felix Lang und Wolfgang Wohlmayr (Uni Salzburg) erforschen u.a. die römerzeitliche Wirtschaft im Umland Salzburgs. In Pfongau wird in einer Lehrgrabung eine antike „villa rustica“ erkundet – bei geophysikalischen Messungen des ZAMG waren im Jahr 2000 vier Wirtschaftsgebäude geortet worden. Gefunden wurden z.B. verkohlte Reste von Nutzpflanzen.

Die Grabungen sind eine Kooperation von Uni Salzburg, dem Salzburg- Museum und dem Österreichischen Forschungszentrum Dürrnberg, an
dem u.a. die ÖAW beteiligt ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2011)

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