Das Leben, die RNA und Gott als Waffe

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Renée Schroeder, Forscherin an den Max F. Perutz Laboratories der Uni Wien, erklärt in einem Buch ihr Weltbild, ihre Ablehnung der Religionen und ihr Glück, eine Frau zu sein.

„Was kam zuerst?“, fragt Renée Schroeder: „Die Henne, die das Ei legt? Oder das Ei, aus dem die Henne schlüpft?“ Ihre Antwort: „Das Henn-Ei.“ Damit meint sie die RNA, dieses Molekül, das instabiler ist als die DNA – und erstaunlich vielseitig: Schroeder, 58, hat einiges dazu beigetragen, seine Rollen zu ergründen. Am faszinierendsten ist wohl genau die Rolle der RNA als „Henn-Ei“, als das Molekül, das vor der „Einführung“ von DNA und Proteinen eine Vorform des Lebens konstituiert hat. „Sie kann nämlich beides“, sagt Schröder: „Sie kann Bauplan sein und den Stoffwechsel antreiben.“ Sie sei „wendig, verformbar und sehr aktiv“. „Sie bezeichne ich als das Molekül des Lebens. Sie ist leichter verformbar. Und ohne Veränderung kein Leben.“

So knapp und pointiert sagt Schroeder das in diesem Buch, das mit einer Journalistin entstanden ist. So liest es sich auch: eine Plauderei im besten Sinn. „Von diesem Buch erwarte ich mir, dass mein Weltbild durch das Schreiben neue Impulse bekommt“, heißt es zu Beginn. Und am Schluss: „Ich bin der Erkenntnis einen Schritt nähergekommen. Und dem Glück.“

Was macht das (neue) Weltbild dieser Frau aus? Vor allem ihr Bekenntnis zu mangelnder Perfektion, zu Fehlern – in der Welt der Biomoleküle, in der es ohne Fehler (Mutationen) keine Evolution gäbe. Aber auch im Leben: Schroeder steht freudig dazu, dass ihre Karriere nicht „linear“ verlaufen ist, dass ihre zwei Kinder ihr „ein fünfjähriges Publikationsloch“ beschert haben. „Man lernt als Mutter und Forscherin vor allem eines: Regieführung. Mehrere Dinge parallel zu tun und immer mehrere Filme im Kopf zu haben, die gleichzeitig ablaufen.“ So vertritt Schroeder einen positiven, optimistischen Feminismus – und zeigt Mitleid mit der „Three-Inch-Society“ der Männer, bei denen nicht nur die intimsten Teile einer Messung unterworfen werden...

Deutliche Worte findet sie auch zum Thema Religion: Gott sei „eine Waffe, die Menschen dazu bringt, andere umzubringen“. Für Schroeder – die jahrelang in der Bioethikkommission war – „ist das, was Religionen machen, ethisch absolut nicht vertretbar. Es ist nicht vertretbar, Menschen anzulügen, zu täuschen, sie mit dem Jenseits zu erpressen, ihre Sexualität zu tabuisieren.“ Sie selbst definiert sich knapp als Naturwissenschaftlerin: „Ich suche nach Erkenntnis. Ich sammle Fakten.“ Und: „Die Gegenwart ist das Glück.“


Renée Schroeder, Ursel Nendzing: Die Henne und das Ei: Auf der Suche nach dem Ursprung des Lebens (Residenz Verlag, 205 Seiten, 21,90 Euro)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2011)

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