An Labor-Hefezellen wurde gezeigt, wie und warum isolierte Zellen sich zu Verbänden zusammengetan haben: Sie optimierten ihr Überleben in neuen Umwelten. Sie begannen in den Gemeinschaften rasch mit Arbeitsteilung.
Immer wieder in der Evolution haben sich kleine und einfache Einheiten zu größeren und komplexeren zusammengetan, Gene zu Genomen, Bienen und Menschen zu Gesellschaften. Irgendwann dazwischen – vor etwa einer Milliarde Jahren – kam ein ganz großer Schritt: Einzeller verbanden sich zu Mehrzellern und teilten die Arbeit. Das kann viele Vorteile haben, schiere Größe schützt vor Gefressenwerden und erleichtert im Gegenzug das Jagen bzw. das Erschließen von Futter. Ersteres wurde früher schon an der Alge Chlorella vermutet: Die war einzellig und wurde von Wimpertierchen gefressen; aber die haben kleine Mäuler, und so überlebten Chlorella, die sich zu Mehrzellern vereinten; die auch schon ältere Hypothese vom Futtererschließen wurde im letzten August bestätigt, an Laborstämmen von Bierhefe, Saccharomyces cerevisia.
Die leben alleine und ernähren sich von einfachen Zuckern, Glucose und Fructose. Aber wenn ihre Umwelt sich ändert und nur schwer verdauliche Zucker enthält – Sucrose –, dann tun sie sich zusammen, sie profitieren alle davon: Diese Hefen produzieren das Enzym Invertase bzw. sie scheiden es aus, es spaltet Sucrose in Fructose und Glucose. Die können von den Hefen aufgenommen werden, sie gehen durch ihre Zellwände hindurch. Aber die Verluste sind für isoliert lebende Hefen (zu) groß, die aufgespaltenen Zucker verlieren sich in der Nährlösung.
Gemeinschaft: Mehr Futter für alle
Das ändert sich, wenn viele Hefen eine Kolonie bilden, die Ausbeute wird besser, und es geht weniger verloren. So kann der erste Schritt zu Mehrzellern beschritten werden, John Koschwanez (Cambridge, Massachusetts) zeigte es im Vorjahr (PLoS Biology, e1001122). Aber viele Details blieben ungeklärt: Finden Einzeller zusammen, oder gehen sie nach der Teilung ihrer Mütter erst gar nicht auseinander? Tun sie sich nur zusammen oder gehen sie auch den nächsten Schritt: Teilen sie Arbeit, und wenn ja, welche zuerst? Und: Wie rasch geht es?
All das hat William Ratcliff nun geklärt, wieder an Laborhefe: Er hat sie, inmitten ihrer Nährlösung, leicht zentrifugiert, dabei sank an den Boden des Gefäßes, was schwer war, Zellklumpen, sie sehen ein wenig so aus wie Schneeflocken und heißen deshalb auch so. Dieser Bodensatz kam in frische Nährlösung und wurde wieder zentrifugiert usw. So wurden die Hefen auf Größe selektiert. Nach 60 Tagen – etwa 350 Generationen – waren aus allen Laborstämmen Schneeflocken geworden. Und zwar dadurch, dass Tochterzellen aus Zellteilungen sich nicht voneinander trennten, sondern aneinander geheftet blieben. So sind sie genetisch identisch, das mildert das große Problem aller Vergesellschaftungen, das des Trittbrettfahrens, in dem manche Mitglieder die anderen ausnützen, nur nehmen und nichts geben.
Stattdessen begannen im Verlauf des Experiments manche Mitglieder der Klumpen – etwa zwei Prozent –, sich für das große Ganze zu opfern: Sie gingen in den programmierten Zelltod („Apoptose“) und schufen damit innerhalb der Schneeflocken Schwachstellen, an denen einzelne Äste abbrechen konnten (zu groß dürfen die Flocken nicht werden, weil sonst die Hefen ganz im Inneren nicht mehr zu Nahrung kommen). So ist zumindest bei Hefen die erste Arbeitsteilung die sexuelle: Manche Zellen verzichten auf Reproduktion, damit die anderen sich vermehren können (Pnas, 16. 1.). Damit hat die Arbeitsteilung vermutlich auch bei anderen neu gebildeten Mehrzellern begonnen, bei den Chlorella-Algen.
Novität oder Reaktivierung von Erbe?
Allerdings haben die Hefe-Experimente einen Schwachpunkt: Nur die Hefen von Laborstämmen leben isoliert, viele ihrer Verwandten in der Natur bilden Kolonien, und die Ahnen von allen waren vor hunderten Millionen Jahren Mehrzeller. Es könnte also sein, dass in den Experimenten überhaupt nichts Neues gebildet, sondern ein altes Programm reaktiviert wurde. Deshalb wiederholt Ratcliff gerade sein Experiment, diesmal mit Chlamydomonas, einer einzelligen Alge, die keine mehrzelligen Ahnen hat.