Kräfte messen

„Lieber zwei Wochen im Labor als eine Stunde in der Bibliothek“, sagte Philipp Haslinger einst als Student. Nun ist er, wo er sein wollte.
„Lieber zwei Wochen im Labor als eine Stunde in der Bibliothek“, sagte Philipp Haslinger einst als Student. Nun ist er, wo er sein wollte.(c) Clemens Fabry
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In seinem Start-Preis-Projekt forscht Philipp Haslinger am Atominstitut der TU Wien an neuen Messmethoden für physikalische Kraftfelder.

Philipp Haslinger ist froh, dass einige seiner Freunde ebenfalls in der Wissenschaft bleiben. „Da macht das Forschen gleich noch mehr Spaß.“ Wobei er sich über zu wenig davon eigentlich nicht beklagen kann. Streckt man, wie der 35-Jährige, seine Fühler nach den großen offenen Fragen der Physik aus, wird einem bestimmt nicht so schnell fad. Haslinger hat an der Uni Wien bei Markus Arndt, einem der internationalen Stars der Quantenphysik, mit einer Arbeit über Materiewellen promoviert. Danach war er dreieinhalb Jahre Postdoc an der University of California in Berkeley.

Er arbeitete dort an lasergekühlten Atomen, die man isoliert von der Umgebung in einer Vakuumkammer für hochpräzise Messungen von Kräften nützen kann. Etwa der Erdbeschleunigung. „Aber auch, um nach Dunkler Energie zu suchen“, sagt der experimentelle Physiker. Diese macht etwa 69 Prozent der Energie im Weltall aus, und doch wissen wir nicht, woraus sie physikalisch überhaupt besteht. Nur ihre Auswirkung, die immer schnellere Ausdehnung des Universums, lässt sich beobachten.

Ein Dunkle-Energie-Experiment seiner Forschungsgruppe erregte damals großes mediales Interesse: Zwar konnte man ein bestimmtes Energiefeld, das dieser geheimnisvollen Naturkraft laut Theorien zugrunde liegt, nicht erwischen, aber den Bereich, in dem man es vermutet, viel stärker eingrenzen als vorherige Experimente. „Jeder Erkenntnisgewinn bringt die Forschung voran“, resümiert Haslinger. „Es ist wichtig, theoretisch vorhergesagte Kräfte zu bestätigen oder mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen.“

Unerforschte Dimensionen

Bisher kennen Physiker mit der Gravitation, dem Elektromagnetismus sowie der starken und schwachen Kernkraft vier Grundkräfte. Weil sich damit nicht alle kosmischen Phänomene erklären lassen, wird eine mögliche fünfte diskutiert. Eine, die auch mit der Dunklen Energie zu tun hat. „Wenn es diese Kraft gibt und sie mit normaler Materie wechselwirkt, müsste man sie nachweisen können“, so Haslinger.

Seit Jänner ist er zurück in Österreich und forscht am Atominstitut der TU Wien an dazu geeigneten Messmethoden. „Mit der Atominterferometrie kann man auf mikroskopisch kleinen Strecken nach winzigsten Kraftfeldern suchen“, erklärt er. Dabei habe man allerdings das Problem, dass die Atome durch die Schwerkraft hinunterfallen und ein Festhalten normalerweise das Messen störe. Seine Lösung: „Ähnlich wie in Berkeley möchte ich ein Laserfeld verwenden, das zwischen zwei Spiegeln sehr oft hin- und herreflektiert wird.“ Störende Einflüsse werden so herausgefiltert. „Damit sollte es gelingen, die Atome für einige Sekunden in einer fixen Position gegen die Schwerkraft zu halten und zugleich Beschleunigungen sehr genau zu messen.“ Für das Projekt erhält er am kommenden Mittwoch einen Start-Preis des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF.

Ein Teamplayer scheint Haslinger von Haus aus zu sein. In seiner Heimatgemeinde Großkrut im Weinviertel hat er als Jugendlicher jedenfalls nichts ausgelassen, was „ein Dorf vereinstechnisch so zu bieten hat“: Pfadfinder, Feuerwehr, Ministrieren, Fußball, Tennisklub. Er spielte in Bands und organisierte in den USA als Bay-Area-Chapterhead des Netzwerks Ascina (Austrian Scientists and Scholars in North America) Treffen österreichischer Forscher. Nebenbei erkundete er mit einem Kollegen und einer Künstlerin die Schnittstelle von Kunst und Physik. An der Universität Stanford, wo Haslinger in der Berkeley-Zeit an Projekten beteiligt war, „kidnappten“ die drei ein ultraschnelles Optiklabor und nutzten Laser und Fotodetektoren, um Bilder im Subnanosekundenbereich aufzunehmen. Darauf bewegt sich ein Lichtpuls durch den Raum, bis er allmählich etwas Konkretes beleuchtet. Fotografie im wahrsten Wortsinn: „Man konnte dem Licht buchstäblich beim Malen zusehen.“ 2016 zeigte die Linzer Ars Electronica die Serie.

„Kommunikation ist mir wichtig“, sagt der Physiker. „Auch Postdocs sollten sich fächerübergreifend vernetzen.“ In dieser Phase hätten viele mit hohem Erfolgsdruck, verhältnismäßig schlechter Bezahlung und kaum Sicherheit in der Lebensplanung zu kämpfen. „Mehr Austausch könnte uns stärken.“

ZUR PERSON

Philipp Haslinger (35) studierte an der Uni Wien Mathematik und Physik. In Physik promovierte er 2013 mit Auszeichnung. Er war von 2014 bis 2017 Postdoc an der University of California in Berkeley, USA, und zusätzlich in Projekte an der Stanford University eingebunden. Seit 2018 ist er am Atominstitut der TU Wien tätig. Jüngst erhielt er mit dem Start-Preis des Wissenschaftsfonds FWF die wichtigste Auszeichnung für Nachwuchsforscher.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2018)

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