Hilfe mit Plan und neuer Technik

Sein Forschungsgebiet humanitäre Logistik berührt auch Christian Wankmüllers ehrenamtliches Engagement als Rot-Kreuz-Mitarbeiter
Sein Forschungsgebiet humanitäre Logistik berührt auch Christian Wankmüllers ehrenamtliches Engagement als Rot-Kreuz-Mitarbeiter(c) Karlheinz Fessl
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Der Sozialwissenschaftler Christian Wankmüller erforscht, wo bei Katastropheneinsätzen die Schwachstellen sind und wie man Hilfsketten am effizientesten managen kann.

Eine Katastrophe kommt oft aus heiterem Himmel. Und fast so schnell, wie sie passiert ist, setzen sich Hilfstrupps in Bewegung. Ihre Mission ist klar: Leben retten, Not lindern, Zerstörtes wiederherstellen. Doch wie machen sie das? „Es ist ein Spagat. Chaotische Zustände in den betroffenen Gebieten, die Schwierigkeit, sofort die wichtigsten Informationen herauszufiltern, und viele humanitäre Organisationen zugleich vor Ort stellen die Helfer vor große Herausforderungen“, sagt Christian Wankmüller. Koordination ist alles, aber gerade die ist im Wettlauf mit der Zeit erschwert. „Zugleich sind die Entscheidungsfindungsprozesse folgenreich.“ Wankmüller erforscht, wie man sie verbessern kann.

Er ist promovierter Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler und stellvertretender Vorstand des Instituts für Produktions-, Energie- und Umweltmanagement der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Dass er sich nach dem Master in Betriebswirtschaft stärker in humanitäre Logistik und Katastrophenmanagement vertiefen wollte, hat mit seinem Zivildienst beim Roten Kreuz zu tun. Seit damals engagiert er sich in dessen Bezirksstelle in der Kärntner Bundeshauptstadt, wo er ehrenamtlicher Sanitäter im Rettungsdienst, Finanzreferent und Abteilungskommandant der Schnelleinsatzgruppe ist. „Dabei merke ich, wie komplex Rettungsaktionen sind, egal ob es um einen Verkehrsunfall oder ein Großschadensereignis geht“, so der 29-Jährige.

Rettung in unwegsamem Gelände

Ebenso hat er schon Abstimmungsprobleme zwischen Hilfsteams erlebt, etwa bei der Flüchtlingskrise von 2015. „Damals war es auch schwer herauszufinden, welche und wie viele Hilfsgüter überhaupt gebraucht wurden.“ Ein Unsicherheitsfaktor, der bei nahezu jeder größeren Katastrophe zu beobachten sei. Im selben Jahr begann er im Rahmen des Doktoratsprogramms „Modelling, Simulation and Optimization in Business and Economics“ an der Klagenfurter Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, die Schwachstellen bei Hilfseinsätzen aus wissenschaftlicher Sicht zu analysieren. Vorigen Dezember wurde seine Dissertation mit dem Award of Excellence des Bundesministeriums ausgezeichnet. „Unzureichende Kommunikation kann zu überflüssigen Lieferungen von Dingen führen, die bereits von anderen bereitgestellt worden sind“, erklärt Wankmüller. „Das ist eine unnötige Belastung der finanziellen Ressourcen, mit denen man ja auch in Hinblick auf künftige Einsätze haushalten muss.“ In seiner Arbeit hat er gezeigt, wie man durch intensiveren Informationsaustausch und Gruppenentscheidungen die Versorgung verbessern und Kosten senken kann.

Aktuell arbeitet er an einem Projekt mit, das die verstärkte Zusammenarbeit von Bergrettungsteams und die Weiterentwicklung alpiner Rettungstechnologien im Fokus hat. „Natürlich sind Bergretter erfahren, trotzdem reichen menschliche Kräfte und vorhandene Technik manchmal kaum aus“, so der Wissenschaftler. „Nach stundenlangem Aufstieg mit der Trage etwa oder wenn ein Hubschrauber im dichten Nebel nicht starten kann.“ Hier könnte die Digitalisierung Erleichterungen bringen. „Wir wollen Logistikanwendungen entwickeln, um Menschen in Bergnot besser helfen zu können.“ Zudem testen die Forscher das Potenzial von Drohnen, E-Bikes oder E-Tragen. „Ich war selbst schon in unwegsamem Gelände an der Bergung von schwer verletzten Bergsteigern beteiligt, da wäre uns die Unterstützung innovativer Technologien sehr willkommen gewesen.“

Drohnen seien generell vielversprechend, ob bei Suchaktionen oder, um von der Außenwelt abgeschnittene Gebiete zu versorgen. „Defibrillator-Drohnen etwa beschleunigen die Hilfskette in medizinischen Notfällen massiv.“ Außerdem untersucht Wankmüller die Vorteile der Blockchain-Technologie für die humanitäre Logistik. Die lässt sich nicht nur für Kryptowährungen wie Bitcoin nutzen, sondern „auch, um Lagerungs-, Transport- und Verteilprozesse in Echtzeit zu verfolgen oder Spender und Bedürftige ohne Umwege über Banken zu vernetzen“.

ZUR PERSON

Christian Wankmüller (29) studierte Betriebswirtschaft und wurde 2015 Universitätsassistent an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt (AAU). Parallel arbeitete er an seiner Dissertation, die er 2018 summa cum laude abschloss und dafür den Award of Excellence erhielt. Er ist Postdoc und stellvertretender Institutsvorstand an der AAU und Lehrender an der Donau-Uni Krems.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2019)

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