Positionsmächtig – aber zeitarm

Franz J. Schweifer hat das Zeitmanagement von Topmanagern erforscht: Sie sind vielfach Getriebene ihres Kalenders und verzichten großteils auf (mehr) Zeit für sich und die Familie.

„Irgendwann musst du dich entscheiden, ob du mehr Zeit für die Familie haben willst oder die Zeit in deine Karriere investierst.“ Diesen Satz hat Franz J. Schweifer oft gehört: Für seine Dissertation (Universität Klagenfurt, Betreuung Peter Heintel) führte er mit 20 Topmanagern Österreichs intensive Gespräche über deren Zeitmanagement. Dabei ist er auf eine relative Ohnmacht im Umgang mit der Zeit gestoßen. Zwar gleichen sich einige Unterschiede zwischen Mann und Frau in puncto Zeitmanagement in der obersten Etage aus, doch beim Thema, wer hat Kinder und wer nicht, zeigt sich klar, dass es auf der höchsten Managementebene eher die Frauen sind, die auf Kinder verzichten, um erfolgreich zu sein. „Es gibt immer wieder Ausnahmen“, sagt Schweifer: „Aber die müssen perfekt getaktet den Alltag organisieren.“ Es geht um Disziplin, egal ob mit oder ohne Kinder. „Ohne Disziplin keine Topkarriere“, ist eine der Kernaussagen der Recherche. Schweifer hat „Interventionsforschung“ durchgeführt, das heißt die Interviews sollen den Alltag der Befragten unterbrechen, Denkanstöße geben, vielleicht etwas im Leben der Interviewpartner verändern. Selbst beruflich als Zeitmanagement-Coach tätig, stellte Schweifer allen Interviewpartnern die Vorergebnisse seiner Analysen für ein kritisches Feedback zur Verfügung, um hintergründige Reflexionen der Betroffenen zu erfahren.

„Ein Kernergebnis ist, dass Positionsmächtige nicht wirklich zeitmächtig sind.“ Zwar gibt es wohl „Zeit-Aliens“, Topmanager, die von Event zu Golfplatz tingeln können, doch die meisten der 20 Interviewpartner waren tendenziell „Getriebene ihres Kalenders“. Manche von ihnen möchten irgendwann Zeit für all das haben, was jetzt wegen des Jobs zurückstehen muss, und empfinden die mangelnde Zeit, das „Leben zu genießen“, als Manko.

Viele Befragte sind jedoch von ihrer Aufgabe so fasziniert, dass sie darin die Erfüllung sehen. Ein kleinerer Teil versucht, in regelmäßigen „Ritualen“ eine entlastende wie ausgleichende „Antithese“ zum eng getakteten Management-Alltag zu setzen – wie etwa durch die aktive Auseinandersetzung mit Kunst und Musik oder die Pflege regenerativer Auszeiten. Die Ergebnisse will Schweifer als Buch publizieren, während er in seinem Job als „Zeitmanager“ demnächst wieder ein „Zeit-Privatissimum“ leitet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2010)

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