Der »Catwalk« auf dem Berg Golgota

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Silke Geppert hat Kreuzigungsszenen des Spätmittelalters verglichen. Sie fand einen Dresscode der Heiligen, der soziale Hintergründe und Moden der damaligen Zeit ausdrückt.

Der „Catwalk“ der Bibel, an dem es sich lohnt, „gut angezogen“ zu sein, ist die Kreuzigung Christi. So bringt Silke Geppert es auf den Punkt, wenn man sie fragt, warum sie Kreuzigungsdarstellungen aus dem 14. und 15. Jahrhundert analysiert hat. Sie wollte herausfinden, ob die jeweilige Kleidungsmode zur Zeit der Maler einen Einfluss auf die Darstellung der Heiligen in ihren Bildern hatte. Die gelernte Verlagsbuchhändlerin, die Kunstgeschichte und Kulturmanagement an der Uni Wien studierte, verglich in ihrer Dissertation „Mode unter dem Kreuz. Kleiderkommunikation im christlichen Kult“ (Kunstgeschichte, Uni Graz, Betreuer Götz Pochat, und Kostümwissenschaft, Universität für angewandte Kunst Wien, Betreuerin Annemarie Bönsch) ungefähr 140 Kreuzigungsdarstellungen von 50 Malern.

„Wie welche Person auf einem Gemälde angezogen ist, ist eine frühe Form der medialen Kommunikation“, sagt Geppert: „Es herrscht quasi ein ,vestimentärer Code‘, der anhand der Kleider bestimmte Charaktereigenschaften oder soziale Hintergründe ausdrückt. Dieser Code hat sich im Laufe der Zeit entwickelt.“

Freilich könne man nicht von den Kleidern der Heiligen auf den Altarbildern direkt auf die Kleider der damaligen Gesellschaft schließen. „Aber diese ,Hüllen‘ unterliegen einem Dresscode, der teils metaphorisch, teils symbolisch oder auch legendarisch bedingt ist.“ Wichtigen Einfluss auf die Darstellung der Heiligen hatte dabei nicht nur der Maler der Kreuzigungsszenen, sondern vor allem der Auftraggeber.

Als Beispiel nennt Geppert die Darstellung der Maria Magdalena, die oftmals in engem Surkot (mittelalterliches Obergewand) mit erotischer Silhouette gezeigt wird. Kam der Auftrag vom luxusverliebten Hof Burgund rund um 1420 bis 1460, wurde Maria Magdalena meist als reiche, schöne Patrizierin in hochmodischem Kleid abgebildet.

Auch die Darstellung des Franz von Assisi, dessen Lebensgeschichte vom Anlegen und Ablegen von „Hüllen“ geprägt ist, kommt in der Dissertation vor (öffentliche Entkleidung, Eintritt in den Orden, nacktes Sterben). Geppert schließt, dass die Varianten der abgebildeten Bußkleidung auch ein „medial eingesetztes Konstrukt“ sind. Für kostümhistorische Forschung liege eine „noch unbearbeitete Stofffülle“ offen, so die Forscherin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2012)

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