Wort der Woche

Ein Politologe hat sich der Frage »Wie lernt die Politik?« gewidmet. Die Antworten fallen sehr differenziert aus: Die Politik ist auf jeden Fall lernfähig – aber nicht in allen Bereichen.

Menschen sind lernfähig. Politiker sind Menschen. Politiker sind also lernfähig.“ Dieser klassische Syllogismus steht am Anfang einer beachtenswerten Studie des Politologen Peter Biegelbauer. „Während die ersten beiden Aussagen nicht kontrovers sind, wird die dritte auch in ernsthaft geführten, öffentlichen Diskussionen angezweifelt“, so Biegelbauer. In dieses Wehklagen will er aber nicht einstimmen – denn dieses Bild erscheint ihm zu verkürzt. Er wolle zwar nicht bestreiten, dass Macht, Interessen und Repräsentation wichtig für die Erklärung von politischen Prozessen seien; doch ebenso gebe es ein Bestreben, Probleme wirklich lösen zu wollen, argumentiert er in dem diese Woche präsentierten Buch „Wie lernt die Politik?“ (262 S., 41,11 Euro, Springer VS), das auf seiner Habilitationsschrift an der Uni Innsbruck basiert.

In mehrjähriger Forschungsarbeit am Institut für Höhere Studien (IHS) und seit 2012 am Austrian Institute of Technology (AIT) hat er sich politische Lernprozesse anhand der österreichischen Forschungspolitik seit den frühen 1980er-Jahren angesehen. Dieser Sektor ist politologisch besonders interessant, weil er als Querschnittsmaterie über Ressortgrenzen hinweggeht. Sein Schluss aus der Analyse: „Lernen ist in diesem Politikbereich relativ häufig.“ Als klares Anzeichen dafür wertete er die faktische Entwicklung der österreichischen Forschungsquote, die von 1,1 Prozent des BIPs in den 1980er-Jahren auf aktuell 2,8 Prozent gestiegen ist, sowie die Tatsache, dass Österreich heute als Vorbildland in Sachen Evaluationspraxis gilt.

Woher kommt dann aber das weitverbreitete Bild, dass die Politik nicht lernfähig sei? Biegelbauer bietet dafür zwei Antworten an: Erstens täuscht der Eindruck, weil in der Öffentlichkeit fast nur die „High-Level-Politik“ gesehen werde – also das Agieren von Politikern in besonders umstrittenen Themen. Das Gros der Politik werde hingegen „low level“ gemacht – auf Beamtenebene. „Das sind die Hauptakteure des Lernens in politischen Prozessen“, sagt der Forscher.

Zweitens differenziert er zwischen verschiedenen Lernformen: Weitverbreitet seien instrumentelles und politisches Lernen (wie man Maßnahmen plant und Strategien umsetzt); viel seltener konnte er hingegen soziales und reflexives Lernen (über die Mechanismen) beobachten. Hier hakt Biegelbauer auch mit Verbesserungsvorschlägen ein. Am wichtigsten sei eine offene Kommunikationsstruktur über Hierarchieebenen und Dienstwege hinweg – samt einer gewissen Fehlertoleranz: „Wenn niemand Fehler zugibt, dann kann auch niemand lernen“, so der Politologe.

martin.kugler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2013)

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