Plastik Verhalten

Forscher fanden heraus, dass Nanopartikel aus Kunststoffen bei Fischen bis ins Gehirn vordringen und Verhaltensänderungen auslösen. Das ist ziemlich besorgniserregend.

An dieser Stelle wurde bereits mehrfach das Thema Mikroplastik aufgegriffen – etwa, wie viel Plastikmüll in den Meeren landet, wie das Material dort zu Partikeln zerkleinert wird, wo dieses Mikro- und Nanoplastik überall schon zu finden ist und wie sich die Teilchen in der Nahrungskette anreichern. Diese Erkenntnisse sind allesamt alarmierend – doch im Vergleich zu einer Arbeit, die diese Woche erschienen ist, nimmt sich das alles „harmlos“ aus: Schwedische Forscher um Karin Mattsson berichteten nämlich, dass Nanopartikel aus Kunststoffen, die von Fischen über die Nahrung aufgenommen wurden, bei diesen bis ins Gehirn vordringen und sogar deren Verhalten verändern (Scientific Reports, 13. 9.).

Bei diesen Laborversuchen wurden Algen mit 53 Nanometer kleinen Plastikpartikeln vermischt. Dann bekamen Daphnien (Krebstiere) diese Algen zu fressen, und schließlich wurden die Tierchen an Karauschen (Karpfenfische) verfüttert. Die Fische brauchten daraufhin länger zum Fressen, schwammen weitere Wege zum Futter und waren allgemein weniger aktiv. Bei einem zweiten Versuch mit etwas größeren Plastiknanopartikeln (180 Nanometer) wurden ebenfalls Verhaltensänderungen beobachtet, diese sahen aber etwas anders aus. Bei allen Versuchsfischen konnten jedenfalls Plastikteilchen im Gehirn nachgewiesen werden.

Das ist eine wirklich neue Erkenntnis – bis dato wusste man kaum etwas darüber, welche biologische Wirkung Mikro- und Nanopartikel haben können –, und sie ist besorgniserregend. Allerdings ist es trotzdem noch zu früh, in Angst oder gar Panik zu verfallen. Denn noch sind viel zu viele Detailfragen offen. So verwendeten die Forscher bei ihren Versuchen einen speziell veränderten Kunststoff, der besonders leicht in das Innere von Zellen gelangen kann. Wie sich „normales“ Plastik verhält, ist unbekannt. Weiters ist offen, auf welche Weise die Plastikteilchen ihre biologische Wirkung entfalten. Sehr verwirrend ist dabei etwa die Tatsache, dass verschiedene Partikelgrößen unterschiedliche Wirkungen auf das Verhalten der Fische hatten.

Solange man solche Zusammenhänge nicht im Detail kennt, können seriöserweise keine allgemeinen Aussagen über mögliche Gefahren getroffen werden. Eines ist aber sicher: Wir müssen dringend mehr über die Wirkung von Nanopartikeln erfahren, die Forschung muss massiv ausgeweitet und beschleunigt werden. Denn die Menge an Plastik in unserer Umwelt steigt weiter rasant an.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2017)

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