Wort der Woche

Tierlose Landwirtschaft

Eine tierlose Landwirtschaft, wie sie sich Veganer erträumen, hat unbestreitbar positive ethische und ökologische Auswirkungen. Aber sie wirft auch große Probleme auf.

Einer der wenigen konkreten Beschlüsse der kürzlich zu Ende gegangenen Weltklimakonferenz in Bonn war, dass nun auch die Landwirtschaft verstärkt Klimaschutz betreiben soll. Bis 2020 sollen dafür Maßnahmen ausgearbeitet werden. In den Augen von Veganern wäre es ganz einfach: Wenn man die Tierhaltung abschafft, könnte man nicht nur Tierleid vermeiden, sondern auch die Hälfte der Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft. Rinder rülpsen jeden Tag 300 bis 500 Liter des starken Treibhausgases Methan heraus.

Doch so einfach ist die Sache nicht, wie US-Forscher berichteten (Pnas, 13. 11.). Denn eine Umstellung auf eine vegane Landwirtschaft hätte eine Reihe von unliebsamen Konsequenzen. Die Wissenschaftler haben ein ziemlich umfassendes Modell der US-Landwirtschaft und Ernährung erstellt und damit eine Welt ohne Tierzucht simuliert. Die Ergebnisse sind bemerkenswert. Zum einen wären die gesundheitlichen Folgen nicht durchwegs positiv: Bei pflanzlicher Kost verändert sich das Verhältnis zwischen Energiegehalt und den Mengen an wichtigen Inhaltsstoffen, sodass die Gefahr besteht, dass ein durchschnittlicher Amerikaner (noch) mehr Nahrung zu sich nehmen müsste, um den Bedarf etwa an Kalzium oder Vitamin A zu decken. (Abgesehen davon kommen manche Mikronährstoffe, z. B. Vitamin B12, nur in tierischen Lebensmitteln vor.)

Zum anderen sind aber auch die Umweltwirkungen nicht so eindeutig. So gibt es ohne Tierzucht keinen organischen Dünger mehr, stattdessen müsste mehr Kunstdünger ausgebracht werden. Dieser verursacht bei seiner (energieintensiven) Herstellung hohe CO2-Emissionen; bei alleinigem Einsatz von Kunstdünger sinkt der Humusgehalt des Bodens und damit dessen Fähigkeit, CO2zu binden. Überdies besteht das Risiko, dass bei falscher Dosierung mehr Lachgas (ein potentes Treibhausgas) freigesetzt wird. Unterm Strich werden allein durch das Fehlen von Stallmist die möglichen Treibhausgaseinsparungen um ungefähr ein Sechstel vermindert.

Die Liste an Problemen einer tierlosen Landwirtschaft ist aber noch viel länger: Was soll man z. B. mit Reststoffen der Pflanzenproduktion machen, die derzeit verfüttert werden? Was geschieht mit Flächen, die nicht mehr beweidet werden – etwa mit Almen? Und: Ohne Stallmist ist auch kein Biolandbau möglich.

Es gibt also, wie überall im Leben, keine einfachen Lösungen.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2017)

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