Wort der Woche

Altes Rom in Mode

Im Kunsthistorischen Museum sind derzeit die umfangreichsten römischen Wandmalereien Österreichs zu bestaunen. Man lernt daraus: Auch die alten Römer gingen nach der Mode.

Es gibt Orte, an denen man es als Bauherr nicht leicht hat: Sobald man mit Aushubarbeiten beginnt, stößt man auf Relikte aus der Vergangenheit – Fliegerbomben, Skelette, Grundmauern usw. Lorch bei Enns ist so ein Ort: Dort befand sich einst die römische Grenzstadt Lauriacum, dort standen unter anderem die frühesten Kirchen Österreichs.

Als im Jahr 2000 ein Parkplatz gebaut werden sollte, war es wieder einmal so weit. Experten des Bundesdenkmalamts rückten aus, fanden zwischen antiken Grundmauern bemalte Putzschichten und bargen fünf große Blöcke und 42 Kisten voller Fragmente. Auf welchen Schatz sie gestoßen waren, war damals noch nicht klar. Das zeigte sich erst zehn Jahre später, als die Relikte aus dem Depot geholt und aufgearbeitet wurden: Es handelt sich um nichts weniger als den umfangreichsten Fund römischer Wandmalerei in Österreich. Die Highlights sind derzeit in der Sonderausstellung „Das Haus der Medusa“ im Kunsthistorischen Museum Wien zu bestaunen – samt einer spannenden Dokumentation der jahrelangen Arbeit von Archäologen, Restauratoren, Materialforschern etc.

Die Aufarbeitung der Funde war alles andere als trivial. Vor allem die fünf Blöcke, die als Ganzes geborgen worden waren, mussten in akribischer Feinarbeit freigelegt und in Schichten zerlegt werden – denn es zeigte sich, dass vier Putz- und Malereischichten aus unterschiedlichen Zeiten übereinanderlagen. Die mehr als 2000 Fragmente mussten gereinigt und gesichert werden, dann begann ein großes Puzzlespiel, am Ende wurden die zusammengefügten Einzelteile auf Platten fixiert.

Das Ergebnis dieser Kombination aus Grundlagenforschung und Fitzelei ist imposant – auch wenn man sich keine großflächigen Wandmalereien wie etwa aus Herculaneum oder Pompeji erwarten darf. Dennoch: Zu sehen sind z. B. qualitätsvolle Medusenhäupter oder die Rekonstruktion eines ausgemalten Deckengewölbes. Faszinierend sind insbesondere drei Wandtafeln, die drei aufeinanderfolgende Dekorationsphasen dokumentieren: Zuunterst waren großzügige gelbe Draperien gemalt, darüber lag eine bunte Architekturmalerei mit Frauengestalten, und die oberste Malschicht zeigte durch Streifen abgegrenzte Bildfelder, auf denen u. a. ein Hirsch (oder Rind?) dargestellt wurde.

Moden und Geschmäcker änderten sich demnach auch im dritten Jahrhundert immer wieder. Und wer es sich leisten konnte, ließ sein Heim stets nach der jüngsten Mode neu gestalten.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2017)

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