Wort der Woche

Harter Konkurrenzkampf

Keimfreie Flecken gibt es auf der Erde so gut wie keine. Selbst im extrem sauren Milieu im Magen herrscht üppiges Leben – und ein harter Konkurrenzkampf der Bewohner.

Die ganze Welt ist von Mikroorganismen besiedelt. Die ganze Welt? Ja! (Vielleicht abgesehen von frisch ausgebrochenen Vulkanen.) Selbst in der Antarktis oder in Tiefseegräben regt sich vielfältiges Leben – das wir allerdings erst seit der Entwicklung moderner genetischer Analysemethoden „sehen“ können. Denn der überwiegende Großteil aller Bakterien, Archaeen, Viren & Co. lässt sich auf herkömmliche Weise im Labor nicht kultivieren – man kennt die Bedingungen nicht, unter denen sie sich vermehren –, daher wurden sie bisher übersehen. Nun, da Lebewesen auch anhand ihrer Erbsubstanz (DNA) nachweisbar und identifizierbar sind, finden Forscher in allen möglichen Biotopen Leben, die bisher als steril galten.

Auch im menschlichen Körper. So dachte man lange Zeit fälschlicherweise, dass der Urin gesunder Menschen keimfrei ist. Oder die Lunge. Oder auch der Magen. Gerade in Letzterem wäre dies ja auch gut vorstellbar, denn durch die Magensäure herrscht ein extrem niedriger pH-Wert (zwischen eins und zwei), in dem Leben, wie wir es kennen, unmöglich scheint. Die Entdeckung des Bakteriums Helicobacter pylori im Jahr 1984 machte indes klar, dass selbst der Magen ein brauchbarer Lebensraum ist. Helicobacter wird für Gastritis und Magenkarzinome verantwortlich gemacht.

Dank Genanalysen weiß man mittlerweile, dass auch andere Bakterienarten den Magen besiedeln und ein vielfältiges Ökosystem ausbilden. Wie eine österreichische Forschergruppe um Ingeborg Klymiuk kürzlich herausgefunden hat, ist Helicobacterein sehr dominanter Zeitgenosse: Im Falle einer Infektion ist die normale Diversität im Magen deutlich reduziert – es wurden 65 Bakterienarten identifiziert, die nur bei Menschen ohne Helicobacter-Befall vorkommen. Bei einer fortgeschrittenen Erkrankung geht die Dominanz der Krankmacher sogar so weit, dass nur mehr Helicobacter-Keime feststellbar sind (Frontiers in Microbiology, 14. 12.).

Warum diese Bakterienart derart dominant ist, weiß man nicht genau. Sie ist im extremen Milieu des Magens offenbar sehr wettbewerbsstark. Man weiß, dass Helicobacter die Zellen in der Magenschleimhaut manipuliert, sodass deren Abwehrfähigkeit gesenkt wird. Überdies gibt es Hinweise, dass die Keime auch in den Stoffwechsel ihrer bakteriellen Mitbewohner eingreifen – offensichtlich zu deren Schaden.

Selbst in lebensfeindlichen Umgebungen herrscht also ein harter Konkurrenzkampf.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2018)

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