Wort der Woche

Kosmetik Dampf

Die Luftverschmutzung aus dem Verkehrs- sektor ist rückläufig. Dafür werden andere Schadstoffe dominanter – die z. B. aus Druckertinte oder Kosmetika ausdampfen.

Dieser Tage wurde vermeldet, dass sich die Luftqualität in Problemzonen wie Wien und Graz in jüngster Zeit deutlich verbessert habe – und dass es deshalb nicht notwendig sei, sogenannte Umweltzonen mit Fahrverboten für schadstoffreiche Autos einzuführen. Abgesehen davon, dass die aktuell relativ saubere Luft mit einer günstigen Witterung zusammenhängt (was sich bei längeren Inversionswetterlagen rasch wieder ändern kann), ist die Argumentation zum Teil richtig: Die Emissionen aus dem Verkehrssektor sind dank moderner Technologien zur Abgasreinigung in der Tat rückläufig (trotz der Schummel-Software mancher Autobauer).

Dafür rückt eine andere Schadstoffquelle immer stärker in den Vordergrund, wie eine Forschergruppe aus den USA und aus Kanada kürzlich vermeldete: Mittlerweile kommen fast so viele flüchtige organische Verbindungen (VOC) aus anderen Quellen als aus dem Verkehr – etwa aus Pestiziden, Lacken, Klebstoffen, Druckertinten, Reinigungsmitteln, Kosmetikprodukten und anderen Konsumprodukten (Science 359, S. 760). Diese flüchtigen Substanzen wie z. B. Aceton, Formaldehyd, Siloxane oder Terpene werden in der Atmosphäre unter Einwirkung von UV-Strahlung und Stickoxiden oxidiert und sind damit Vorläufersubstanzen für bodennahes Ozon und für kleinste Feinstaubpartikel, sogenannte sekundäre organische Aerosole.

Der Befund der nordamerikanischen Forscher deckt sich mit Beobachtungen von Innsbrucker Wissenschaftlern: Sie fanden bei Messungen, dass die Luft in Tirols Hauptstadt deutlich mehr flüchtige organische Verbindungen enthält als angenommen – und dass diese zu einem hohen Anteil aus Konsumprodukten stammen (Pnas 22. 1.).

Wenn Umweltpolitiker vermelden, dass die Feinstaubbelastung sinkt, beziehen sie sich auf die Konzentration von PM10 (Partikel mit einem mittleren Durchmesser von zehn Mikrometern). Das verdeckt allerdings den Trend, dass die Menge von noch feinerem Feinstaub (PM2,5) – der tiefer in die Lunge eindringt und daher gesundheitlich noch bedenklicher ist – tendenziell steigt. Und dafür sind u. a. die Vorläufersubstanzen verantwortlich.

Die Bedeutung flüchtiger organischer Verbindungen aus Konsumprodukten als Luftschadstoffe dürfte in Zukunft zunehmen, denn ihre Emissionen gehen bei Weitem nicht so rasch zurück wie die aus dem Verkehrsbereich oder aus der Industrie.

Zurücklehnen und auf vermeintlichen Erfolgen ausruhen kann sich die Umweltpolitik also nicht.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.