Wort der Woche

Ein halbes Grad macht viel aus

Die Frage, ob sich die Erde um 1,5 oder um 2,0 Grad erwärmt, ist alles andere als eine kleine Nuance in der Klimadebatte. Denn dieses halbe Grad macht einen riesigen Unterschied!

Kaum waren in der Vorwoche die salbungsvollen Worte bei der Klimakonferenz in der Wiener Hofburg verklungen, da schickte eine Forschergruppe unter österreichischer Leitung ein drastisches Warnsignal in die Welt. Im Pariser Weltklimavertrag ist ja das Ziel festgeschrieben, dass die globale Durchschnittstemperatur gegenüber vorindustriellen Zeiten um nicht mehr als zwei Grad steigen solle – und wenn möglich nur um 1,5 Grad. Dieser Unterschied klingt auf den ersten Blick marginal. Wie die Forscher um Edward Byers (IIASA Laxenburg) aber nun herausgefunden haben, macht dieses halbe Grad für die Menschheit sehr viel aus.

Untersucht wurde dabei, wie sich die Erderwärmung bis 2050 auf 14 Faktoren aus den Bereichen Wasser, Energie und Lebensmittel auswirkt. Danach wurde überprüft, wo Menschen von zumindest zwei der drei genannten Risikobereiche akut betroffen sind. Das Ergebnis ist erschütternd: Bei einer Erwärmung um 1,5 Grad sind rund 1,5 Mrd. Menschen von mehreren Risken simultan bedroht, vor allem in Ballungsräumen in Süd- und Ostasien. Wird die Welt um zwei Grad wärmer, verdoppelt sich die Zahl der Betroffenen fast auf rund 2,7 Mrd. Menschen; zusätzlich zu Asien würden dann auch in Zentralamerika, Ost- und Westafrika, im Nahen Osten und im Mittelmeerraum die Risken überhandnehmen. Durchgerechnet wurden überdies die Folgen einer Erwärmung um drei Grad: Dann wären 5,6 Mrd. Menschen bedroht – was im Jahr 2050 rund der halben Menschheit entsprechen würde (Environmental Research Letters, 16.5.).

Dieser gigantische Unterschied zwischen 1,5 und 2,0 Grad Erwärmung wurde diese Woche von einer US-Forschergruppe um Marshall Burke noch bekräftigt: Die Welt würde sich demnach bis zum Ende des Jahrhunderts 20 bis 30 Billionen Dollar an Schäden ersparen, wenn die Erwärmung auf 1,5 Grad beschränkt werden könnte (Nature, 24.5.).

Diese Zahlen sind ein dringender Appell, sofort einschneidende Klimaschutzmaßnahmen einzuleiten. Schon bisher hat sich die Erde durch den Treibhausgasausstoß um rund ein Grad erwärmt. Die aktuellen Trends lassen eine Erwärmung um deutlich mehr als zwei Grad befürchten. Mit schönen Worten wie bei der jüngsten Klimakonferenz ist es daher nicht getan. Auch Österreich wird sich dieser Verantwortung stellen und den vielfach als zahnlos kritisierten Entwurf der künftigen Klima- und Energiestrategie mit konkreten Maßnahmen und Zeitplänen ausstatten müssen.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum-Magazins“.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2018)

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