Bergbau in der Tiefsee

Ökologen warnen eindringlich, dass Bergbau in der Tiefsee zahlreiche unerwünschte Folgen haben könnte. Die Menschheit sollte diese Sorgen ernst nehmen.

Die Tiefsee ist der größte Lebensraum der Erde – Meeresboden macht immerhin zwei Drittel der Erdoberfläche aus. Sie ist gleichzeitig der am schlechtesten erforschte Teil der Erde. „Über die Tiefsee wissen wir weniger als über den Mond“, pflegt der Wiener Meeresbiologe Gerhard Herndl zu sagen.

Doch das Wissen nimmt zu. Klar ist mittlerweile, dass die Tiefsee nicht nur große biologische Schätze birgt, sondern auch materielle: Weite Bereiche des Meeresbodens sind mit „Manganknollen“ übersät – Steinen, an denen sich aus dem Meerwasser wertvolle Metalle wie etwa Mangan oder Nickel abgelagert haben. Anderswo sind Felsen mit Krusten überzogen, die reich an Kobalt und Technologiemetallen sind. Und bei heißen Quellen in der Tiefsee („Hot Vents“) gibt es Ablagerungen von Metallsulfiden, aber auch von Silber und Gold.

Schätzungen zufolge übertreffen die Metallvorkommen am Meeresboden jene an Land. Das hat schon vor Jahrzehnten Begehrlichkeiten geweckt: Entwickelt wurden z. B. ferngesteuerte Geräte, die Mähdreschern gleich über den Meeresboden fahren, diesen durchpflügen und die Schätze einsammeln. Die zuständige UN-Behörde International Seabed Authority (ISA) hat bisher 29 Lizenzen für Tiefseebergbau vergeben. Da dieser wegen der harschen Bedingungen in Tausenden Metern Tiefe sehr aufwendig ist, wurde noch nirgends mit der Förderung im großen Stil begonnen. In den kommenden Jahren wird es aber so weit sein.

Nun werden die Regeln der ISA überarbeitet, und Ökologen drängen auf mehr Rücksicht auf die Natur. Der Rohstoffabbau komme der Abholzung von Wäldern gleich, heißt es in einem diese Woche veröffentlichten Bericht der Weltnaturschutzorganisation IUCN. Auch die aufgewühlten Sedimente, Lärm und Vibrationen könnten die empfindlichen Ökosysteme stören – die sich wegen der extremen Bedingungen nur sehr langsam regenerieren. „Was wir bisher wissen, reicht nicht aus, um Meeresflora und -fauna vor Bergbauaktivitäten effektiv zu schützen“, so die IUCN. Ins selbe Horn stieß nun auch die Wissenschaftszeitschrift Science (12. 7., S. 152): Die Priorität der ISA müsse bei ökologischen Schutzmaßnahmen liegen, wird in einem Editorial gefordert: Teile des Meeresbodens sollten als Schutzgebiete ausgewiesen werden.

Die Menschheit wäre gut beraten, noch einmal gründlich nachzudenken, bevor auch der letzte halbwegs unberührten Lebensraum der Erde wirtschaftlichen Interessen unterworfen wird.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2018)

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