Verhaltensweisen von Pflanzen

Von wegen tumbe Gewächse: Wissenschaftler ergründen immer mehr faszinierende Verhaltensweisen von Pflanzen.

Dass Pflanzen alles andere als fade und tumbe Lebewesen sind, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Man muss nicht gleich von einer „Intelligenz“ von Pflanzen sprechen, wie es etwa der italienische Biologe Stefano Mancuso macht – aber ihre Fähigkeiten machen doch staunen: Pflanzen orientieren sich mühelos im Raum, reagieren auf Berührungen, bilden bei Annäherung von Fressfeinden Abwehrstoffe oder merken sich ihr Leben lang, auf welcher Seite sie als Keimling verletzt wurden.

Jüngst konnte auch bewiesen werden, dass Pflanzen gut hören und darauf regieren können: Eine Forschergruppe der Tel Aviv University um Marine Veits hat gezeigt, dass bei vielen Blumen, nur drei Minuten nachdem Schwirrgeräusche von Bienen, Faltern und anderen Bestäubern zu hören waren, der Zuckergehalt im Nektar um ein Fünftel ansteigt: Diese Pflanzen strengen sich also besonders an, wenn es um etwas geht (bioRxiv, 28.12.2018).

Ein beinahe unglaubliches Verhalten haben nun deutsche Biologen um Pia Backmann beim Wilden Tabak beschrieben (The American Naturalist, 193, S. 125). Diese Gewächse produzieren dauerhaft Nikotin, um Fressfeinde abzuschrecken. Speziell angepasste Tabakschwärmer sind allerdings unempfindlich gegen Nikotin, für sie produziert der Tabak spezielle Abwehrstoffe (Proteinase-Hemmer)– allerdings erst vier Tage nach einem Raupenbefall (den die Pflanzen anhand des Speichels erkennen).

Stellt sich die Frage: Warum erst so spät? Des Rätsels Lösung fanden die Forscher in der besonderen Ökologie des Wilden Tabaks: Die Samen schlummern oft jahrelang im Wüstenboden, bis sie durch einen Buschbrand zum Leben erweckt werden. Dann keimen Tausende Pflanzen gleichzeitig aus und konkurrieren um Wasser und Nährstoffe. In diesem Umfeld ist die verzögerte Reaktion nützlich: Junge, noch kleine Raupen richten noch keine großen Schäden an. Erst ab einem Alter von zehn Tagen legen sie so richtig los – und kurz bevor es so weit ist, ist es für eine Pflanze der richtige Zeitpunkt, die Verteidigung zu starten und die Raupen zum Nachbarn zu vertreiben. Dadurch spart sie viel Energie – denn die Produktion der Proteinase-Hemmer ist aufwendig; die Pflanze kann die anfänglichen Schäden dadurch leicht kompensieren.

Zum Schluss noch ein (Ferien-)Tipp für alle Fans blühender Gewächse: Nur mehr bis nächsten Sonntag ist im Museum NÖ in St. Pölten die Ausstellung „Garten – Lust. Last. Leidenschaft“ zu sehen: Eine wunderbare Reise durch die jahrtausendealte Kulturgeschichte von Gärten.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum-Magazins“.

meinung@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2019)

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