Das Gezwitscher wird leiser

Das Gezwitscher in Flur und Feld wird leiser, unsere Singvögel kommen immer stärker unter Druck – ein Zeichen für das gespannte Verhältnis zwischen Mensch und Natur

Was sind das bloß für Menschen? Dieser Tage ging die Nachricht durch die Medien, dass in Linz das einzige bekannte Eisvogel-Vorkommen zerstört wurde – weil jemand die Bruthöhle mit einem Stein verschlossen hat und in der Folge das Weibchen und die Brut verendeten. Das ist mindestens genauso empörend wie die wiederholten Berichte, dass Seeadler und ander Greifvögel durch ausgelegte Giftköder getötet werden.

Diese Fälle sind freilich nur die spektakulären Spitzen des Eisbergs namens Vogelsterben. Dieses geht im Normalfall viel unbemerkter vonstatten. Der Vogelwelt setzen v. a. das Ausräumen der Landschaft und die Intensivierung der Landwirtschaft zu. Sorge machen etwa Veränderungen im Grünland: Durch die Umstellung der Tierfutterproduktion von Heu- auf Silagewirtschaft werden Wiesen heute häufiger gemäht und stärker gedüngt als früher. Das begünstigt schnell wachsende Gräser, dadurch sinkt die Pflanzenvielfalt auf den Wiesen. Das schon hat negative Folgen für Insekten und damit auch für Vögel. Dazu kommt noch die Zerstörung von frühen Insektenstadien und Vogelbruten durch das häufige Mähen. Man darf sich also nicht wundern, wenn in der Landschaft immer weniger Vogelgezwitscher zu hören ist. Was auch durch alle wissenschaftlichen Statistiken bestätigt wird.

Mit gutem Willen könnte man die Situation leicht verbessern. Das zeigt das Beispiel der Heidelerche, die vom Aussterben bedroht ist: Im Naturpark Mühlviertel haben sich Bauern verpflichtet, die Felder von Anfang April bis Mitte Mai nicht maschinell zu bewirtschaften – und prompt hat sich der Bruterfolg der bodenbrütenden Vögel erhöht.

Doch meist ist es nicht so einfach. Denn die Zusammenhänge zwischen menschlichem Tun und Tierwelt sind oft auch ziemlich subtil. Das zeigt etwa eine israelische Studie, in der der Einfluss des Klimawandels auf 19Singvogelarten untersucht wurde – und zwar anhand von in den letzten 200 Jahren ausgestopften Vögeln. Es zeigte sich, dass sich parallel zur Klimaerwärmung die Mauser (Federwechsel) weiblicher Vögel verstärkt hat (Nature Communications, 10.6.). Das ist für die Tiere sehr energieaufwendig. Und es hat eine unerwartete Folge: Singvogelweibchen sehen heute in jüngerem Alter erwachsen aus als noch vor einigen Jahrzehnten. Was das für die Überlebenschancen der Tiere und die Zukunft der Arten bedeutet, ist unbekannt. Es zeigt aber, dass wir die Natur auf viel mehr Ebenen beeinflussen, als wir gemeinhin denken.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2019)

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