Warum klingt unsere Stimme auf einer Aufnahme so fremd?

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Der Schall dringt von außen und von innen ans Ohr. Daher nehmen wir uns nie so wahr, wie wir uns für andere oder auf Tonträgern anhören.

Der Schreck sitzt oft tief, wenn jemand seine eigene Stimme auf einer Aufnahme hört. „Das bin doch nicht ich“, heißt es dann. Tatsächlich hören wir uns selbst anders, als uns Menschen in unserem Umfeld wahrnehmen. Der Schlüssel zum Geheimnis? „Wenn wir sprechen, ist der akustische Weg der Schallwellen zum Ohr der anderen nicht derselbe wie zum eigenen Ohr“, sagt Piotr Majdak. Der habilitierte Toningenieur forscht am Institut für Schallforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Der Schall sucht sich nämlich zwei Pfade zum eigenen Gehör: Dorthin gelangt er nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich. Körper und Knochen leiten Schall, dieser wird dadurch anders gefiltert. Manche Frequenzen werden angehoben, hohe eher abgedämpft. „Das Resultat überlagert sich mit akustischem Schall, den der Mund produziert. Dadurch kommt es zu einem leicht anderen Klang“, so Majdak.

Der Mund wirkt wie ein Trichter

Man hört sich selbst also nie so, wie man für andere klingt, die eine Aufnahme unserer Stimme daher kaum überrascht. Auch wenn die Qualität von Mikrofon und Lautsprecher eine Rolle spielen, nehmen sie kaum einen Unterschied zum Klang in der direkten Kommunikation wahr.

Insgesamt ist die über den Körperschall ans Innenohr gelangende Information freilich deutlich leiser als akustische Information, die sich über die Luft ausbreitet. Man müsste den über die Knochenleitung wahrgenommenen Schall um 50 Dezibel verstärken, damit er gleich laut wahrgenommen wird wie der Luftschall.

Körperschall funktioniert überdies komplizierter als der Schall, der über die Luft ans Ohr gelangt: Produzieren die Stimmlippen Impulse, regt das den Rachenraum an, der wie ein Filter wirkt. „Dass wir ein a oder o oder u sagen, wird nur durch den Mundraum bestimmt, der daher auch Vokaltrakt heißt“, sagt Majdak.

Dazu kommt, dass der Mund eine Richtwirkung hat. Ähnlich wie ein Trichter bündelt er Schallinformationen nach vorne. Ob uns eine Person gegenübersteht oder von der Seite oder von hinten zuhört, beeinflusst wiederum ebenfalls, wie sie unsere Stimme wahrnimmt. Wo sich Sender und Empfänger von Schall, also Mund und Ohren, im Raum befinden, ist daher entscheidend.

Wie Töne auf Menschen wirken, untersucht Majdak als Laborleiter für psychoakustische Experimente an der ÖAW: „Es geht darum, Experimente zu designen, aus denen Schlüsse auf die Funktionen des Gehörs möglich sind.“ In verschieden großen Schallkammern spielt er mit seinem Team Probanden Hörproben vor und fragt nach dem Klang oder, woher Geräusche kommen.

Als weniger lästig empfunden

Das ist Grundlagenforschung, zugleich gibt es aber auch einen Fokus auf die Anwendung. Derzeit untersuchen Wissenschaftler des Instituts etwa, wie Lärmschutzwände wirken, die die ÖBB aufstellen. Wie viel bewirken sie? Und: Bringt eine Erhöhung um einen Meter eine spürbare Verbesserung? Die Versuchspersonen hören dazu Aufnahmen von Zügen mit unterschiedlichen Lärmschutzwänden, Schienendämpfern und bewerten, wie lästig die Geräusche sind. Daraus sollen Maßnahmen abgeleitet werden, die den Zweck haben, dass Lärm als weniger lästig wahrgenommen wird.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2016)

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