Wie sehr wüteten die Vandalen wirklich?

Die Vandalen gelten als Plünderer und Zerstörer: ein zu simples Bild. Sie bildeten eigene Reiche und waren auch römische Soldaten.

Vandalen – ihr Name steht, neben anderen wie Barbaren, bis heute für Zerstörung und Verwüstung. Sie siedelten ursprünglich östlich des Rheins. Als die Römer 406 n. Chr. die Rheingrenze kurz entblößten, zogen sie gemeinsam mit den Quaden, Sueben und Alanen nach Gallien und weiter bis nach Spanien.

Diese „Völker“ sind keine scharf abgrenzbaren ethnischen Gruppen, sondern zunächst eher Untergruppen des römischen Militärs. Roland Steinacher vom Institut für Mittelalterforschung der ÖAW und Autor des im Klett-Cotta-Verlag erschienenen Buches „Die Vandalen. Aufstieg und Fall eines Barbarenreiches“, nennt sie daher römische Barbaren. Sie kämpften zwar immer wieder gegen die Römer, aber auch mit ihnen.

Daher konnten sie 409 n. Chr. einen Föderatenstaat in Spanien errichten. Unter Geiserich zogen sie 429 n. Chr. weiter in eine andere römische Provinz, nach Nordafrika. Dort verfügten sie bis 534 über ihr eigenes Reich, auch hier von Rom als Föderaten anerkannt.

Die Vandalen pflegten während ihrer afrikanischen Herrschaft ihre ostgermanische (gotische) Sprache. Dasselbe gilt für ihren arianischen (häretischen) Glauben. Sie bildeten die Oberschicht, standen aber einer römischen Mehrheitsbevölkerung gegenüber. Sie konnten also keine Nation gründen, die sich von den Römern gänzlich abzugrenzen vermochte. Sie blieben römische Barbaren. Eine Vandalentracht gab es etwa nie.

455 n. Chr. wagten sie ein für ihr weiteres Geschichtsbild folgenschweres Experiment: Geiserich zog nach Rom. Sie plünderten die Stadt gründlich, jedoch ohne blinde Zerstörungswut. Die Bewohner blieben, auf Bitten des Papstes, weitgehend verschont. Dabei handelte es sich nicht nur um einen Beutezug, sondern um einen politischen Akt. Kaiser Valentinian III. versprach seine Tochter dem vandalischen Thronfolger als Braut. Der Kaiser wurde aber ermordet, dessen Tochter mit dem römischen Nachfolger vermählt. Die Witwe und Mutter rief Geiserich um Hilfe. Die Tore Roms wurden ihm geöffnet. „Der Zug war ein innenpolitischer Anspruch, um in die Kaiserfamilie einzuheiraten, wobei sich Rom auszuräumen in jedem Fall auch lohnte“, sagt Steinacher.

Die Erfindung des Vandalismus

Nun kommt die Neuzeit ins Spiel: Tausend Jahre danach werden, vor allem im Frankreich der Revolutionszeit (rund um 1789), alle Vandalenzüge westlich des Rheins zu einem barbarischen Akt erklärt. Henri Grégoire, Bischof von Blois, brachte ein Schlagwort auf: den Vandalismus. Er bezog sich eigentlich auf die sinnlose Zerstörung von Kunstwerken durch die Jakobiner. Als Vergleich diente ihm die Plünderung Roms durch die Vandalen. Der Bischof machte sie zu wütenden Barbaren. „Dabei wüteten die Vandalen so wie jeder bewaffnete militärische Verband bis zur Genfer Konvention, 1864. Selbst im römischen Recht war es Feldherren erlaubt, ihre Armee ordentlich zugreifen zu lassen, wenn die Stadtmauern der Gegner gefallen waren“, sagt Steinacher.

Auch die Bezeichnung Barbar veränderte sich. Meinte barbarus zunächst fremd, unrömisch oder ungesittet, bedeutete es später unbändig oder wild, und schließlich tapfer oder wacker, was heute noch im Englischen brave und im Italienischen und Spanischen bravo steckt. Barbarisch war fortan Schimpf- und Lobwort. [ Foto: Julia Ess]

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2016)

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