Warum ist der Meeresspiegel nicht überall gleich hoch?

Nicht nur die Gezeiten, Wind und Wellen wirken sich auf die Höhe der Ozeane aus. Auch wie man die Pegel misst, macht einen Unterschied.

Bis zu 21 Meter unterscheidet sich der Meerespegel der westkanadischen Bay of Fundy zwischen Ebbe und Flut. Die Trichterform der Bucht begünstigt das. Aber auch in den weiten Küstengewässern Nordfrankreichs beträgt der Tidenhub etwa zwölf Meter. „Die Sonne und vor allem der Mond beeinflussen die Gezeiten. Aber auch Wind und Wellen oder Strömungen sorgen dafür, dass das Meer unterschiedliche Höhen annimmt“, sagt Erich Draganits von der Uni Wien. Das sind allerdings eher kurzzeitige, lokale Schwankungen.

Die Höhe des Wasserspiegels hängt auch von Vorgängen im Erdinneren ab: Je dichter der Erdmantel an einer Stelle ist, desto stärker wirkt die Schwerkraft. Dadurch liegt die Meeresoberfläche bei Sri Lanka bis zu 105 Meter tiefer als im Durchschnitt. Bei Neuguinea liegt sie wiederum rund 80 Meter höher. Das ist zumindest so, wenn man die Erde als Rotationsellipsoid betrachtet, also als eine Ellipse, die um ihre kurze Hauptachse rotiert. Denn die Wasseroberfläche ist vom Erdmittelpunkt unterschiedlich weit entfernt. „Wäre die Erde eine perfekte Kugel, wären diese Messungen leichter“, sagt Draganits. Beim Geoid, einer weiteren, physikalisch konstruierten Betrachtungsweise, gibt es diese Unterschiede nicht: Dort folgt der Meeresspiegel dem Schwerefeld der Erde. In diesem Modell wirkt die Erdoberfläche daher etwas deformiert, „wie eine Kartoffel“.

Österreich orientiert sich an Adria

Aber auch die Messungen des langjährigen mittleren Meeresspiegels, eines Durchschnittswerts über mehrere Jahrzehnte, bringen Unterschiede zutage – die Bezugspunkte sind nämlich verschieden: In Österreich orientiert man sich am 1875 in Triest gemessenen Meerespegel. In Deutschland greift man auf den ca. 25 Zentimeter höher liegenden Amsterdamer Pegel zurück. Weitere 14 Zentimeter darüber liegt der Kronstädter Pegel, den neben Russland auch Ungarn nutzt. So kann die absolute Seehöhe eines Orts von Land zu Land leicht abweichen.

Freilich ist nicht nur die Messweise entscheidend: „Global schwankt der Meeresspiegel vor allem durch die gespeicherte Menge an Eis“, sagt Draganits. Ändert sich die auf die Erde auftreffende Sonnenenergie, kann das zu einem deutlichen Anstieg führen: seit der Maximalvereisung der letzten Eiszeit vor 29.000 bis 19.000 Jahren um etwa 125 Meter. Allein in den vergangenen 140 Jahren seit Beginn der industriellen Revolution ist der Pegel um rund 20 Zentimeter gestiegen. Skandinavien wiederum wächst, weil sich die Erdkruste – durch das Abschmelzen des Eises entlastet – langsam hebt.

Den Klimawandel spürt Draganits auch bei seiner Forschung in Griechenland, wo er Geologie und Archäologie verbindet: Viele Fundstellen aus dem Neolithikum, also der Jungsteinzeit, seien heute gar nicht mehr zugänglich. Derzeit arbeitet er auch an einer Ausgrabung eines awarischen Gräberfeldes im Burgenland mit. Die aus dem Osten kommenden Awaren waren mit ihren kleinen, ausdauernden Pferden und einer ausgefeilten Bogenschusstechnik für die antiken Heere schwer zu fassen. Um sie ruhigzustellen, gab man ihnen Gold und Silber. Neben einzelnen Ohrringen fanden die Forscher im Burgenland aber noch keine großen Schätze. „Die Gräber wurden meist beraubt“, sagt Draganits, der dazu auch am Ludwig-Boltzmann-Institut für archäologische Prospektion und virtuelle Archäologie forscht.

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(Print-Ausgabe, 16.07.2016)

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