Die Pflichten des Krieges?

Zwiespältig: Manfred Rumpls Alois-Brunner-Roman. Der Plot ist simpel: Der demente Brunner lebt in einem Gästehaus der syrischen Regierung nahe Damaskus.

Es ist selten, dass Romane mit aktuellen politischen Entwicklungen Schritt halten. Zu Recht fürchten viele Autoren, durch die Nähe zum Tagesgeschehen die Literatur an die Kolportage zu verraten. Manfred Rumpl lässt sich mit seinem Roman über den österreichischen Kriegsverbrecher Alois Brunner auf dieses Wagnis ein. Der Plot ist simpel: Der demente Brunner lebt in einem Gästehaus der syrischen Regierung nahe Damaskus. Österreichische Neonazis wollen ihn nach Österreich lotsen, um Brunners 100. Geburtstag in einem burgenländischen Wirtshaus zu feiern.

Zur selben Zeit veröffentlicht eine junge Journalistin, deren Großmutter einst Brunners Geliebte war, eine Artikelserie über den Mann, der in Wien, Pressburg, Berlin, Saloniki, Nizza und Marseille Juden jagte und zu Hunderttausenden in Vernichtungslager schickte. Den dritten Erzählstrang nehmen die Erlebnisse Brunners während der Menschenjagd ein. So heißt es über die Ermordung eines Resistance-Kämpfers im Keller des Hotels Exzelsior in Nizza: „Nicht einmal der Schuss in den Kopf dieses Untermenschen vermag seine (Brunners) Laune an diesem Tag zu heben.“

Ein problematischer Satz, denn der allwissende Erzähler macht hier den Leser zum Komplizen. Angesichts der Massenmorde ist diese Vorgangsweise aber nicht angebracht. Nur eine dokumentarische Sprache vermag in diesen Fällen die notwendige Distanz herzustellen.

Alois Brunner als Waffenhändler

Rumpls Sprache hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. „Ich entschied, Prioritäten zu setzen und persönliche Verbindlichkeiten hintanzustellen“, sagt die Journalistin; an einer anderen Stelle heißt es: „Bald schon, fiel mir auf, als ich mich endlich von meinen Befürchtungen losriss und meine Blicke schweifen ließ, würde der Herbst die Farben der Wälder, durch die ich driftete, entfachen und sein Feuerwerk entzünden.“ Der Satz „Mit dem Hund an seiner Seite poltert er die Treppe hinab, hinaus ins milde Licht des Abends, das nichts weiß von diesem Krieg und den Pflichten, die er einem Deutschen auferlegt“, ist leider ernst gemeint.

Das Konzept des Romans – anhand des Falles Brunner die syrische Foltergeschichte mit der Politfolklore heimischer NS-Nostalgiker zu verknüpfen – geht infolge der unscharfen Erzählperspektive und der unbeholfenen Sprache nur bedingt auf. Wer sich über den greisen Protagonisten des Romans informieren will, ist bei Hafners und Schapiros „Die Akte Alois Brunner“ (rororo) besser bedient.

In den 1970er-Jahren unterhielt Österreich exemplarisch gute Beziehungen zu Syrien. Dessen graue Eminenz, Mustafa Tlass, Verteidigungsminister von 1972 bis 2004 und Autor antisemitischer Hetzschriften, war Stammgast in Wiener Ministerien. Brunner betrieb zu dieser Zeit einen florierenden Waffenhandel, Produkte der heimischen Staatsindustrie waren in Damaskus besonders gefragt. Es war daher sicher nur Zufall, dass die österreichische Justiz die Auslieferung Brunners mit aufreizender Gelassenheit betrieb. Der Freundschaft Österreichs zu einem Regime nachzugehen, das für seine NS-Verherrlichung und seine Foltermethoden bekannt war, wäre möglicherweise ein ergiebigerer Stoff gewesen. ■





Manfred Rumpl
Ein Echo jener Zeit

Roman. 232S., geb., €19 (Droschl Verlag, Graz)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2012)

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