Morden nach Lehrbuch

Das Massaker am Peršmanhof war eines der letzten NS-Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung in Kärnten. Nun dokumentieren zwei Historikerinnen nicht nur das Geschehen, sondern auch den zögerlichen Umgang der Nachkriegsjustiz mit den Tätern.

Es ist ein symbolträchtiger Ort, an dem sich bis heute erinnerungspolitische Konflikte entzünden: derPeršmanhof bei Bad Eisenkappel/Železna Kapla. Der entlegene Bergbauernhof auf 1000 Metern im kärntnerisch-slowenischen Grenzgebiet ist eine zentrale Gedenkstätte der Kärntner Slowenen, der einzige Ort in Österreich, an dem die Geschichte der Minderheit – Diskriminierung, Verfolgung und Widerstand – museal dokumentiert wird. Maja Haderlap hat die Gegend in ihrem Roman „Engel des Vergessens“ einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht; sie selbst ist in der Nachbarschaft des Peršmanhofs aufgewachsen. Mantel und Schuhe, die ihre Großmutter auf dem Heimweg vom KZ Ravensbrück getragen hat, sind im Peršman-Museum zu sehen.

Es ist ein Ort mit einer grauenvollen Geschichte: Am 25.April1945 stürmen Angehörige des SS- und Polizeiregiments 13 den Peršmanhof und verüben ein Massaker. Sie ermorden elf Angehörige der Familien Sadovnik und Kogoj, darunter sieben Kinder, und brennen den Hof nieder. Vier Kinder überleben, drei davon schwer verletzt. Das Massaker war eines der letzten NS-Verbrechen an der Zivilbevölkerung in Kärnten vor Kriegsende. Die Tat blieb ungesühnt. Ende der 1940er-Jahre wurde der Peršmanhof wiederaufgebaut, 1982 das erste Museum errichtet. 2012 wurde das Museum neu gestaltet und konzipiert, unter federführender Kuratel von Lisa Rettl. Bei den Recherchen für die Neugestaltung wurden Gerichtsakten entdeckt, die den beiden Zeithistorikerinnen Lisa Rettl und Claudia Kuretsidis-Haider als Basis für ihre Dokumentation dienten. Rettl stellt in Peršman das Humanitätsverbrechen im historischen Kontext der langjährigen Diskriminierung und Verfolgung der slowenischen Minderheit dar und arbeitet die Rolle des SS- und Polizeiregiments 13 auf, zu dessen Aufgabe die „Bandenbekämpfung“ gehörte. 1944 hatte Heinrich Himmler das südliche Kärnten und Oberkrain zum „Bandenkampfgebiet“ erklärt und die Ordnungseinheit dorthin verlegt. Partisanengebiet war die Gegend um den Peršmanhof seit der Deportation der Kärntner Slowenen in Konzentrations- und Arbeitslager im April 1942, mit dem Hof als wichtigem Stützpunkt.

Warum die Polizisten so vorgegangen seien, wie sie es getan haben, fragt Rettl und resümiert: „Die Ausführung der Tat durch die Polizisten bedurfte keiner speziellen Gründe oder Ursachen, vielmehr zeigen die Richtlinien, dass es sich bei der Erschießung der Familie um eine fast lehrbuchartige Vorgehensweise im Rahmen ausgegebener Dienstvorschriften handelte.“

Aus Claudia Kuretsidis-Haiders (Mitarbeiterin des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes) Aufarbeitung der Volksgerichtsakten wird deutlich, dass Peršman auch ein Symbol für den zögerlichen Umgang der Nachkriegsjustiz mit NS-Verbrechen ist. Viele Gelegenheiten zur Ahndung der Täter verstrichen ungenützt. Das Verfahren kam nie über das Stadium gerichtlicher Voruntersuchungen hinaus, auch wenn es anfangs offenbar noch den erklärten Willen zur Aufklärung gab. So schrieb die Sicherheitsdirektion für Kärnten am 2.September 1946 an das Innenministerium: „Die Sühne dieses Verbrechens ist nicht nur aus Gründen der Gerechtigkeit erforderlich, sondern auch von hohem staatspolitischen Interesse, da es sich bei den Ermordeten um Angehörige der slowenischen Minderheit handelt.“ Von April 1946 bis Mitte der 1960er-Jahre ermittelte das Landesgericht Klagenfurt gegen insgesamt 49 Personen, doch gegen keinen wurde Anklage erhoben. Rund ein Jahr verstrich nach der Tat ohne koordinierte Ermittlungstätigkeit, unter anderem deshalb, weil die britische Besatzungsmacht die österreichische Volksgerichtsbarkeit neun Monate lang nicht anerkannte. Im Februar 1948, fast drei Jahre nach der Tat, begab sich der Untersuchungsrichter erstmals(!) auf den Hof zu einem Lokalaugenschein. Kuretsidis-Haider resümierend: „Die Ermittlungen waren geprägt von Unterlassungen und behindernden wie erschwerenden Umständen interner wie externer Natur.“ Die schwer traumatisierten, kaum Deutsch sprechenden, minderjährigen Überlebenden wurden in einer Weise einvernommen, wie sie heute allem Standard widerspricht.

Den Opfern des Massakers und den Überlebenden widmen die Herausgeberinnen dieses wichtige zeitgeschichtliche Dokument, aus dem der Wallstein-Verlag einen in Leinen gebundenen, mit zahlreichen Illustrationen versehenen Prachtband in Großformat gemacht hat. Er ist durchgehend zweisprachig auf Deutsch und Slowenisch gehalten. Die Dokumentation wird durch einen umfangreichen Museumsdokumentarteil mit fotografischen Impressionen von Zdravko Haderlap und vermittlungspädagogisch orientierten Texten von Gudrun Blohberger ergänzt.

Publikationen über das Massaker am Peršmanhof und die anderen Verbrechen an der slowenischen Bevölkerung in Kärnten, vor allem aber über die wichtige Rolle, die die Partisanen für die Befreiung Österreichs vom NS-Regime gespielt haben, lassen immer noch die Wogen hochgehen und rufen Geschichtsklitterer auf den Plan, wie aktuelle Fälle zeigen. Diese differenzierte historische Analyse ist denn auch ein Gradmesser dafür, ob fast 70 Jahre nach Kriegsende eine sachliche Auseinandersetzung mit diesem Kapitel der österreichischen Geschichte möglich ist. ■

Gudrun Blohberger und Lisa Rettl (Hrsg.)

Peršman

Hrsg. mit dem Verband der Kärntner Partisanen und dem Verein Peršman. 480S., 172 farb. Abb., geb., € 29,90
(Wallstein Verlag, Göttingen)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2014)

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