Stiller Autor, großer Stilist

Aus dem Nachlass: dichte Kurzprosa von Anton Fuchs.

Wenige erinnern sich an Anton Fuchs – leider. Der Klagenfurter Autor (1920–1995) gehört zu den großen Stilisten der Nachkriegsgeneration, doch im Unterschied zu prominenten Autoren seiner Epoche wurde er nur punktuell wahrgenommen. Dazu waren seine Texte zu konzentriert und handfest, muteten „altmodisch“ an, in einer Zeit, da eine selbst ernannte Avantgarde die kulturelle Führung übernommen hatte. Zudem war er gerne mit dem falschen Text zur falschen Zeit „am Markt“. Sein Hauptwerk, „Der Deserteur“, klarsichtige Aufarbeitung seiner Jugend in der Nazizeit, erschien 1958, als niemand solche Geschichten wollte und kaum einer sie schrieb. Das durchgehende Erzählen, heute in Mode, war immer ein Anliegen von Anton Fuchs. Davon zeugt auch dieser Kurzprosaband aus seinem Nachlass.

Hinter dem unglücklich gewählten Titel „Still. Leben“, der sich gerade an jene Ästhetik anlehnt, die Fuchs nicht nahe lag, verbirgt sich ein lesbares Brevier schicksalhafter Geschichten aus der Vorzeit des Mobiltelefons. Ein Mann, der „jeden Abend gegen elf“ in den unheimlichen Stadtwald spaziert, aus dem er, wie man bald ahnt, nicht wiederkehren wird; ein Besuch in einem „verlorenen Hafen“, in den unliebsame Leute zur Vernichtung geladen werden; oder eine „Treibjagd“, die auf den Aufstieg rechtsextremer Politik anspielt und nebenbei den Jägerberuf auf souveräne Weise diskreditiert – das Unheimliche steht neben den Fuchsschen Existenzen wie ein Spiegel.

Die hohe Kunst der Widmung

Wenn der Autor eine Geschichte mit „Am Vorabend jenes Tages, an dem Josef Hellmon die Herrschaft über seinen Wagen verlieren und in die Kriwanja-Schlucht stürzen wollte“ beginnt, steht quasi fest, dass eben dies nicht eintreten wird. Konsequent steuert die Geschichte auf eine ärgere Katastrophe zu. Humor und Selbsterkenntnis kommen dennoch nicht zu kurz. Im ausufernden „Vorschlag für eine eingehendere Widmung“ macht sich Fuchs über die Autorenlust an komplizierten Widmungen lustig. Je weitmaschiger der Protagonist dahinwidmet, desto hoffnungsloser tritt zutage, dass seine Widmung unkomplett bleiben wird.

Diese Prosa verknüpft die leichtfüßige Beobachtungsgabe Italo Calvinos mit dem Eigensinn von Halldór Laxness. Dahinter lauert, geschult an Kafka, reizvoll das holzschwere Erbe von Doderer. Beim Durchblättern sticht die Breite des Wortschatzes ins Auge, Katakomben, Klafter und Kiefernwälder, oder Maulbeeren, Mulden, Meilensteine, das Ringen um die exakte Formulierung führt zu einer Hypersprachlichkeit, die der Erzeugung suggestiver Traumbilder dient. So wird die fremde Welt aus Fundamenten, Forststraßen, Schotterwegen, Gehöften wie durch ein Wunder unsere eigene.

Im dichten, traurigen „Lebenslauf“, in dem Fuchs seinen eigenen Weg vom Fötus über den feigen Soldaten und den Beamten zum Autor schonungslos nachvollzieht, lässt er die Leser teilhaben an der Motivation seines Schreibens: die Welt so zu zeigen, wie sie wahrhaftig sei, „ohne Erbarmen, hemmungslos, dumm und vergesslich (?); in jedem Augenblick durchaus vergänglich und dennoch jung und grün und unzerstörbar“. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2012)

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