Sprachspaltereien: Heute schon geliked?

„Der weiße Neger Wumbaba“ – dieser Buchtipp vom vergangenen Mal mag Ihnen gefallen haben. Die „Lüftung“ des Geheimnisses ist aber noch ausständig: Dem kindlichen Verhörer liegt Matthias Claudius' „Der Mond ist aufgegangen“ zugrunde: „Der weiße Nebel wunderbar...“

Nicht nur Verhörer kommen vor. „Grüß Stuttgart von mir“ – das gab ich dieser Tage einem Bekannten mit auf den Weg. Er konnte mit dem Auftrag allerdings nichts anfangen. Wie er das denn konkret machen solle? Gute Frage!

Jüngere können heutzutage ja nicht einmal mehr im zwischenmenschlichen Umgang mit der Formulierung „Lass XY schön von mir grüßen“ etwas anfangen. „Wie macht man das?“, fragte unbeholfen eine meiner Nichten. Derweil wird im Internet, auf Facebook, flott angestupst, „geliked“ oder hin- und hergelächelt!

Virtuell scheint alles möglich, im persönlichen Kontakt wird es schon schwieriger. „Empfehlungen/Handkuss an die Frau Mama“, wurde unsereinem früher manchmal noch aufgetragen, was natürlich nicht zur Folge hatte, dass das Kind der Mutter tatsächlich die Hand geküsst hätte. Auch der Knicks, den die Großmutter so gern gesehen hätte, wurde verweigert. Nur einmal, nach dem Interview mit dem norwegischen Königspaar, ging die Journalistin ehrfürchtig rückwärts – und stolperte prompt über einen Fauteuil.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2012)

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