Treffer

Kein Trost und keine Scham

Als er sie zuletzt endgültig von sich stieß, klagte sie im Brief an einen Freund: Ein Loch habe er in ihr Herz gebohrt, das nun offen wie der Grund eines ausgelaufenen Auges stehe. Er blieb ihr in freundschaftlicher Verehrung verbunden, stand noch neben ihr am Grab ihres Sohnes.

Klein und schlank, pechschwarzes, kurzes Haar – man mochte kaum glauben, dass sie 43 und damit um 17 Jahre älter war als der junge Mann, den sie da stürmisch umwarb. In der Berliner Künstlerszene hatte sie sich viel jünger gemacht, auch für ihn; gerade hatte sie die Scheidung ihrer zweiten Ehe hinter sich gebracht. Durch Lesungen und Beiträge in Literaturzeitschriften hielt sie sich und ihren Sohn über Wasser, über den Kindesvater schwieg sie sich aus. Ihrem jungen Geliebten erzählte sie, es sei ein spanischer Prinz gewesen.

Ihre Erscheinung befremdete ihn; irritiert stellte er fest, dass sie unregelmäßig und wenig aß, sich wochenlang nur von Nüssen und Obst ernährte. Ihr Refugium, ein bescheiden möbliertes Zimmer, war in seinen Augen eine „enge Kammer, vollgestopft mit Spielzeug, Puppen, Tieren, lauter Krimskrams“.

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