Brusatti trifft Mayröcker: Ein Kontinent namens F.M.

„Ich schreibe so, wie Francis Bacon malt. Und selbst wenn mir da jetzt nicht viele zustimmen werden. Macht gar nichts.“ Friederike Mayröcker – Protokoll einer Audienz.

Ich wäre gern Maler geworden.
(Rückfrage des Gegenübers, sie unterbrechend, eifrig auf geschlechtsgerechte Sprachrichtigkeit bedacht: Malerin wohl?)
Nein, Maler. Das heißt eben so und immer schon.
(Rückfrage des Gegenübers, im Café, verblüfft, aus den weichen, schäbigen Polstern, spätnachmittags: Und die Gender-Exaktheit, die Höflichkeit vor den unterschiedlichen Menschen?)
Ich bin keine so genannte Feministin.
F.M. im Café, sie macht eine Insel um sich herum.
Wo sie sitzt, entsteht sofort ein winziger Kontinent, ein strenger, poetischer, vieles Alltägliche abweisender.
Oft lächelt sie, oft ärgert sie sich.
Alle diese Gender-Sachen sind sprachlich furchtbar hässlich.
Wir einigen uns, unserem Gespräch mit Zitaten, Antworten und allen Poesievorgriffen eine Bezeichnung zu geben: Friederike Mayröcker – ein Befund im Augenblick und Typisierungen aus ihrer Literatur zugleich.
Mögen die Leute damit was anfangen oder auch nicht.


Vorweg. Die ungemein leuchtende F.M. ist ein Phänomen. Sie lebt in einer Welt, die sie durch tägliches Schreiben erweitert, die sie damit zugleich kommentiert, in der sie so ihre Ängste abbaut und mit Menschen kommuniziert. (Es ist die Frage, ob jene angeschriebenen Menschen das überhaupt immer wissen, ob sich von ihr dergestalt Geschilderte so auch selbst verstehen. Allein – egal, Mayröcker-Poesie darf alles.) Sie schreibt an einer Buchidee, aber in mehreren Folgen, sie sagt es in Journalen (études, cahier, fleurs). In diesem Jahr wird die neue Prosaschrift abgeschlossen.
Dann? Später. Und ein Parallelprojekt, herausgewachsen? Später.
Jetzt noch (liebenswürdig, witzig, sarkastisch, viel Scheu). Ich schreibe anders, aber immer weiter.
Wir reden über die Malerei. Welchen Maler mag sie, heute, jetzt, beim aktuellen Befund 2017?
Francis Bacon. Der ist überhaupt nicht grauslich, wie andere sagen. Ich schreibe so, wie Francis Bacon malt. Und selbst wenn mir da jetzt nicht viele zustimmen werden. Macht gar nichts. Außerdem mag ich auch den Picasso. Seine nur scheinbare Disziplinlosigkeit. Und den Max Ernst. Er stellt mit den Möglichkeiten der Wirklichkeit die Wirklichkeit infrage. Besondere Vergleiche drängen sich auf, wenn ich mir Bilder von Max Ernst ansehe. Zum Beispiel zu Scrjabin. Und überhaupt die Musik als Auslösende. Aber.

Vorschlag der Poetin während der Audienz: Wenn schon so ein Gespräch, um schließlich Passagen davon in einem Artikel abzudrucken, dann wäre es doch fein, zwischendurch manch Allerneuestes aus ihrer (mechanischen) Schreibmaschine zu platzieren, als in Lettern sichtbares Beispiel ihrer Verquickung von Alltag und Poesie. Aktuell aus dem Schreiben jetzt.

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