Lektüre, um frei zu atmen

Die Teilnehmerin an einer ihrer Schreibwerkstätten meinte einmal: „Du machst Fenster auf, wo es keine gibt.“ Das ist ein Satz, der als Metapher für ihr gesamtes Lebenswerk verstanden werden kann. Renate Welsh, Schriftstellerin: zum 80. Geburtstag.

Ich glaube immer noch, dass alle wirklichen Probleme nur radikal, also von der Wurzel her gelöst werden können“, sagt Renate Welsh. Diese Radikalität, nämlich als gleichsam leidenschaftlicher wie einfühlsamer und dennoch stets kompromissloser Versuch, den Dingen auf den Grund zu gehen, sie zu benennen, an der Wurzel zu packen und – dort, wo es notwendig und möglich ist – zu verändern, prägen seit Jahrzehnten sowohl das Schreiben als auch das pädagogische und soziale Engagement der Schriftstellerin Renate Welsh.

Der Poetikvorlesung mit dem Titel „Geschichten hinter den Geschichten“, die Renate Welsh 1994 an der Universität Innsbruck hielt, ist das obige Zitat entnommen. Damals sagte sie auch: „Gewiss hat die Sprache selbst ihre Grenzen.“ Aber: „Ich denke, dass das Schweigen mitschwingt, wenn wir mit der Sprache behutsam und achtungsvoll umgehen. Dann kann Sprache auch mithelfen, Nähe zu erzeugen und Wärme und Mauern aufzubauen gegen wirkliche Bedrohung, nicht gegen den anderen, Fremden.“ Dies kann man sowohl als Anspielung auf historische wie auch – und dies in höchstem Maße – auf aktuelle politische Ereignisse lesen. Denkt man an persönliche Verletzungen und Befindlichkeiten, ist die Aussage immer gültig, zeitlos wie die Macht der Sprache selbst. Sehr oft hängt beides zusammen: das Persönliche und das Politische, Geschichten und Geschichte sind miteinander verwoben.

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