Österreich (vor allem Wien) hat zwei Referenz-Mona-Lisas für das 20. Jahrhundert. Sie wurden zwar in derselben Zeit gemalt, drücken aber ziemlich unterschiedlich diese ihre Zeit und vor allem Männerfantasien bis heute aus. Die Frau Adele des Herrn Klimt ist streng, abgehoben, schlicht schön und fad, eine Projektionsebene, begehrenswert für jene, die in Wiens erstem Bezirk einkaufen gehen. Das Fräulein Wally des Herrn Schiele ist streng, aggressiv, körperlich gefährlich, eine Verehrte, ein Kumpel, eine dreckige Freundin. Von den Klimt-Damen weiß man viel. Von den Schiele-Frauen glaubt man viel zu wissen. Von der in vielen Posen überlieferten, oft gar wundersamen und harschen Frau Walburga Neuzil (1894–1917) überhaupt. Was nicht ganz stimmt. Und es ist bewegend, deren Vita zu verfolgen. Dieses Verfolgen wirft ein Licht auf Zustände bis zum Ende des Ersten Weltkriegs vor allem aber – auch – auf die Kunstforschung der vergangenen Jahrzehnte.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2017)
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