Stadtplanung in Wien: Wenn Otto Wagner das wüsste

Wer einen Überblick über Wiens Stadtentwicklung gewinnen möchte, steigt am besten in die U2. Nächst U2-Station Krieau.
Wer einen Überblick über Wiens Stadtentwicklung gewinnen möchte, steigt am besten in die U2. Nächst U2-Station Krieau.Wolfgang Freitag
  • Drucken

Ideen aus der Kaiserzeit als Maxime heutiger Stadtplanung? Lächerlich! Obwohl: Wiens urbanistische Probleme sind im Kern dieselben geblieben, und Haltung hat ohnehin kein Ablaufdatum. Zur Aktualität von Otto Wagner, 100 Jahre nach dessen Tod.

Wer rasch einen Überblick über Wiens gegenwärtige Stadtentwicklung gewinnen möchte, steigt am besten in einen Zug der Linie U2, die ab der Station „Messe-Prater“ in Hochlage durch den 2. und 22. Bezirk führt. Im Vorbeifahren sieht man zunächst, wie die letzten freien Flächen in der noch gründerzeitlich geprägten Leopoldstadt Verwertung fanden und finden: hektargroße Messehallen auf einem hermetisch abgezäunten Areal; Wohnhäuser, die ungeachtet allen Lärms und jeder Beschattung direkt an das wuchtige U-Bahn-Viadukt herangebaut wurden; ein neues Büroviertel – selbstverständlich mit einem gläsernen Turm als weithin sichtbarem Signet; und schließlich ein Einkaufszentrum, dessen Standort selbst die Wirtschaftskammer für verfehlt hielt. Dazwischen sind noch die Wohnhöfe, Kleingärten, Grün- und Sportanlagen früherer Zeiten auszunehmen – unter anderem die historische Trabrennbahn in der Krieau mit ihren idyllischen Stallungen. Sie alle werden in den nächsten Jahren durch die Begehrlichkeiten der Immobilienwirtschaft weiter bedrängt, überformt und teilweise auch ersetzt werden. Zwei zusätzliche Hochhäuser, unmittelbar neben der denkmalgeschützten Trabrennbahn, sind bereits geplant.

Was der aktuelle Bauboom nicht vermag und auch nicht bezweckt, ist, die vorgefundene Stadtstruktur fortzuschreiben, oder dieser Zone eine neue, schlüssige Struktur zu geben. Was wo wie in die Höhe wächst, hängt allein davon ab, wer sich welches Baufeld sichern kann und welche Renditeerwartungen er damit verknüpft. Wenn ein Wohnbauträger Grund erwirbt, entstehen Wohnungen. Kommt ein Immobilienentwickler zum Zug, realisiert er Büro- oder Einzelhandelsflächen – je nachdem, was gerade lukrativer erscheint. Ein sinnvolles Ganzes ergibt dieses Zufallsprinzip nicht, weder funktional noch räumlich. An die Stelle eines übergeordneten städtebaulichen Konzepts, das zumindest grob Gebäudenutzungen, Bauformen, Bauhöhen sowie Freiflächen vorgeben könnte, ist ein Nebeneinander von Einzelinteressen getreten, wofür Architekten aus Sicht der Bauherren – Planungsgebiet für Planungsgebiet – optimale Lösungen ersinnen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.