Wo Freuds wohnten

Sommerfrische am Wiener Stadtrand: eine Ergänzung.

Mit großem Interesse habe ich Anton Holzers Beitrag im„Spectrum“ vom 21. Jännerüber Hans Casparius gelesen („Die Hunde des Dr. Freud“). Die Copyrights einiger fotografischer Abbildungen Freuds geben nach wie vor so manches Rätsel auf. Hinsichtlich des Ortes, an dem die beschriebenen Fotos entstanden sind, darf ich auf Folgendes hinweisen: Sie wurden nicht in der Berggasse aufgenommen, sondern in dem gemieteten Sommerhaus auf der Hohen Warte 46 in Döbling, in dem die Freuds die Sommermonate 1933 verbrachten.

Die Familie Freud (Sigmund, seine Frau Martha, seine Schwägerin Minna Bernays, die mit der Familie lebte, und fallweise seine jüngste Tochter, Anna), pflegte ab den frühen 1930er-Jahren während der Sommermonate eine Villa am Stadtrand zu mieten. Das Haus Berggasse 19 war gleichsam „Winterwohnung“, die Sommermonate wurden in der „Sommerfrische“ in den Außenbezirken verbracht. Freud ordinierte hier auch. Die Sommermonate 1931 und 1932 verbrachte die Familie in einer Villa in der Khevenhüllerstraße, 1933 wählte Freud die Villa auf der Hohen Warte und in den folgenden Jahren ein Haus in der Strassergasse im 19. Bezirk. Dort verbrachte Freud auch seinen 80. Geburtstag am 6. Mai 1936.

Die im „Spectrum“ abgebildete Aufnahme entstand 1933 in dem Haus auf der Hohen Warte. Ob Casparius Freud in der Berggasse besucht hat, kann ich nicht mitSicherheit bestätigen, mir ist kein diesbezügliches Dokument bekannt.

Hinsichtlich der Abbildungen Freuds ist noch zu erwähnen, dass die bekanntesten Fotos – Freud mit Zigarre, Freud und Familie – von seinem SchwiegersohnMax Halberstadt, einem professionellen Fotografen, aufgenommen wurden. Diese entstanden zwischen 1912 und 1919. Fotografien aus den 1920er- und 1930er-Jahren sind durchaus selten, wobei im privaten Rahmen bisweilen Marie Bonaparte, Patientin und enge Vertraute, Familienfeiern dokumentierte (siehe dazu den Film mit Kommentar von Anna Freud, der im Sigmund- Freud-Museum gezeigt wird). Die bekannteste Fotoserie aus der Berggasse 19 hat Edmund Engelman im April 1938 kurz vor Freuds Emigration aufgenommen.

Zurück zum „Spectrum“-Beitrag: Für alle interessierten Leser kann ich den von Michael Molnar und Christfried Tögel herausgegebenen und kommentierten Band „Sigmund Freud: Tagebuch 1929–1939. Kürzeste Chronik“ (Stroemfeld) empfehlen; im Detail nachzulesen der Eintrag vom 4. Mai 1933: „Umzug Hohe Warte“. Jedenfalls bedurfte es bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts des Interesses der internationalen Presse, sich mit dem Begründer der Psychoanalyse auseinanderzusetzen, und ichfrage mich bisweilen, ob sich daran bis heute viel geändert hat. ■

Elfriede Czurda der überschüssige tag
der überschüssige tag wirft
doppelt hofiert ins verfließen
den schatten der fluss spiegelt
die wolke fliegt oben vorbei
ein weißer weicher moment
driftet quer durch den raum
kleiner schwarzer fleck auf
ziegeldächern und mangobäumen
auf vogelflügeln lichtblitzzügen
luftlinienkreuzend verfehlt
er das ziel und die zeit
und versäumt im anfang das ende

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2012)

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