„Peace for Mali“: Fußball statt Krieg

(c) AP (Rebecca Blackwell)
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Mali schaffte beim Afrika-Cup mit dem 1:1 gegen DR Kongo den Einzug ins Viertelfinale, mit den Gedanken sind die Spieler aber bei ihren Familien in der Heimat.

Durban/Wien. Es passiert selten, dass sich Fußballer über ein 1:1 dermaßen freuen. Ist es aber der Fall, muss Großartiges geschehen sein. Ausgelassen tanzten Malis Teamspieler über den Rasen von Durban, sie jubelten und mit ihnen feierten ihre Anhänger auf den Tribünen. Sie lachten, applaudierten, selbst das nervende Tröten der Vuvuzelas verhallte in dem Wirbel. Mit dem 1:1 gegen DR Kongo zog Mali ins Viertelfinale des Afrika Cups ein und trifft am Samstag auf Gastgeber Südafrika. Mit einem Torschuss waren alle Sorgen des von Krieg und Zerstörung geplagten Landes vergessen.

Mamdou Samassa, Legionär bei Chievo Verona, ist der gefeierte Mann. Er schoss das Tor, das Mali von der Zukunft träumen und den Alltag für 90 Minuten vergessen ließ. Klischees und Storys über Leidgeplagte, die im Sport Erfolg haben, werden oft und gern als Wunder, Märchen oder Befreiung angepriesen, aber im Fall der Mali-Kicker geht es eben doch um mehr als nur um Fußball. Zur Verabschiedung der Equipe sind Präsident und die komplette Regierung in der Hauptstadt Bamako angetreten. 22 Spieler sollen 15 Millionen Einwohnern Hoffnung geben, wusste Kapitän und Ex-Barcelona-Star Seydou Keita. Aber auch die Heimat soll den Spielern Rückhalt bieten – obwohl dort Ausnahmezustand herrscht.

„Les Aigles“ fliegen im Live-TV

Am 11. Jänner begann eine Militäroperation der Streitkräfte, die „Opération Serval“ soll die aus dem Norden vorrückenden islamistischen Rebellen bekämpfen. Im Süden des seit 1960 unabhängigen westafrikanischen Landes ist Fußball längst Kulturgut – und im Norden verfolgen nun wohl auch die Tuareg die Spiele im Live-TV.

Dabei hatten die Auseinandersetzungen auch nicht vor dem Sport haltgemacht. Stars wie Momo Sissoko (Paris), Samba Diakité (Queens Park) oder auch Volksheld Keita (er spielt jetzt in Dalian, China) wurden bedroht, obwohl sie mit ihren Familien längst nicht mehr in Afrika leben. Doch Freunde, Verwandte, ihre Wurzeln sind in Mali. Im Sport sind alle 30 Ethnien vermischt, damit auch ihre Sprachen, Kulturen – und Probleme. Es gab Entführungs- und Erpressungsversuche. Daher trat auch Teamchef Alain Giresse, der 1984 mit Frankreich Europameister wurde, zurück. Dabei hatte er Mali 2012 zum dritten Platz zum „Coupe d'Afrique des Nations“ geführt, dem seit 1957 alle zwei Jahre stattfindenden Kontinentalturnier. Er galt in der Bevölkerung als „unantastbar“.

Es waren Vorboten der Gewalt, die Giresse die Abreise leichter machten. Seit Juli 2012 betreut sein Landsmann Patrice Carteron „Les Aigles“, die Adler. Der Franzose hat gelernt, mit der Unruhe unter den Spielern und ihrer Mentalität umzugehen. Erst nach den Cup-Spielen – also dem 1:0 gegen Niger, 0:1 gegen Ghana und dem 1:1 gegen DR Kongo –, gab es „News“ aus der Heimat. Vorab wäre es falsch gewesen, sagt er, für beide Seiten, also Malis Einwohner und den Fußball. „Der Fußball symbolisiert in Mali wohl die heile Welt.“

Freude, aber kein Friedensstifter

Der Afrika-Cup ist für Mali auch die einzige Gelegenheit, sich sportlich zu behaupten. Die WM oder Olympische Spiele sind außer Reichweite und Mali, Nummer 25 der Fifa-Weltrangliste (Österreich liegt an 68. Stelle) hat „sehr gute Chancen“, glaubt Trainer Carteron. Am Samstag wartet Südafrika, das im bisherigen Turnierverlauf nicht zu überzeugen vermochte.

Aber in Wahrheit sei es nicht von Bedeutung, gegen wen seine „Adler“ spielen. Hauptsache, sie geben alles, sagt Carteron, um Mali zu unterhalten und die Konfliktparteien ruhigzustellen. Dass Fußball für Frieden sorgen könne, sei Utopie. Er liefere aber gerade jetzt die beste Ablenkung.

Auf einen Blick

Die Fussballnationalmannschaften von Ghana und Mali schafften beim Afrika-Cup den Sprung ins Viertelfinale. Ghana, der viermalige Titelträger, besiegte Niger mit 3:0, Mali stieg trotz eines 1:1 gegen die DR Kongo auf.

Im Viertelfinale bekommt es Ghana mit dem Überraschungsteam von den Kapverden zu tun. Mali trifft auf Gastgeber Südafrika.

Mali ist Nr. 25 der Fifa-Weltrangliste, Österreich liegt an 68. Stelle.
Malis größter Erfolg
war der Einzug in das Finale des Afrika-Cups 1972 (2:3 gegen VR Kongo). Das westafrikanische Land war bislang bei keiner WM vertreten. In der Qualifikation für die WM 2014 in Brasilien warten auf Mali Algerien, Benin und Ruanda.

Bekanntester Spieler ist Seydou Keita, 33, er gewann mit dem
FC Barcelona Meisterschaft und Champions League. Malis Teamchef ist der Franzose Patrice Carteron.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2013)

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