Das große DFB-Schweigen in der Affäre um Mesut Özil

Mesut Özil
Mesut Özilimago/DeFodi
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Alle reden darüber, nur die Protagonisten im DFB wie Präsident Reinhard Grindel, Teammanager Oliver Bierhoff oder Trainer Joachim Löw sprechen nicht. Über allem dürfte auch das Wettrennen um die EM 2024 zwischen Deutschland und der Türkei stehen.

Das Führungspersonal des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hüllt sich weiter in Schweigen. In der hochbrisanten Causa des zurückgetretenen Mesut Özil haben sich Bundestrainer Joachim Löw, Teammanager Oliver Bierhoff und DFB-Präsident Reinhard Grindel drei Tage nach dem Rundumschlag des Weltmeisters von 2014 noch immer nicht persönlich zu Wort gemeldet.

Auf die explosive und gesellschaftlich hochsensible Lage reagierte der DFB am Montag mit einer vorsichtig formulierten Mitteilung ohne jedes Zitat, seitdem herrscht Ruhe. Will der Verband die Krise aussitzen? Herrscht Ratlosigkeit? Auch Özil sagt derzeit nur Belanglosigkeiten, lehnte im Trainingscamp seines Klubs Arsenal in Singapur jede Stellungnahme zu seinem Teamrücktritt gegenüber Journalisten ab.

Fußball-Deutschland ist still, Gesprächspartner sind Mangelware. Das ZDF bemühte sich für eine mögliche Sondersendung um Studiogäste, doch sprechen möchte niemand. Auch nicht der 56-jährige DFB-Boss Grindel, der in Özils Social-Media-Attacke besonders scharf attackiert wurde. Der England-Legionär warf ihm "Inkompetenz" und "Unfähigkeit" vor, dazu sagte Özil: "In den Augen von Grindel und seinen Helfern bin ich Deutscher, wenn wir gewinnen, und ein Immigrant, wenn wir verlieren..."

Özils Bruder: "Er hat viel nachgedacht"

Der Bruder des 92-fachen Nationalspielers, Mutlu Özil, erklärte indes, die Entscheidung zum Rücktritt aus dem DFB-Team sei Özil nicht leicht gefallen. "Wir haben diese Entscheidung zusammen getroffen. Er hat über das Thema sehr viel nachgedacht", sagte Mutlu Özil der türkischen Nachrichtenagentur DHA am Mittwoch. Mesut Özil gehe es aber gut, er konzentriere sich nun auf seinen Verein Arsenal. Die Schuld für den unglücklichen Abgang in der Affäre um die Fotos mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan liege jedoch nicht bei seinem Bruder.

Stattdessen schiebt das Team Özil vieles auf den DFB, der in puncto Krisenmanagement schwierige Monate hinter sich hat - und die schwierigsten noch vor sich. "Ich glaube, Özil selber, aber auch der DFB haben hier eine schlechte Figur abgegeben", sagte Bayern Münchens Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge zu der brisanten Causa. Schon vor einer Woche hatte er den Verband und dessen Präsident Grindel scharf attackiert.

Brisantes Duell um EM-Vergabe

Nur mit Schweigen wird der DFB die Affäre nicht überstehen können, vor allem Grindel muss sich zu vielen heiklen Özil-Vorwürfen äußern und diese entkräften. Doch zwei Monate vor der so wichtigen EM-Vergabe für 2024, bei der ausgerechnet die Türkei der einzige Gegenkandidat ist, kann jedes Störfeuer die Austragung des Turniers in sechs Jahren kosten. Genau das wollen Grindel und Co. verhindern. Aus ähnlichen Gründen haben sich wohl auch Özils Ex-Teamkollegen im DFB-Team noch nicht zu Wort gemeldet: Das Thema ist politisch zu heiß, keiner möchte es mit einer falschen Aussagen erneut befeuern.

Özil selbst hat hingegen das Beben bewusst in Kauf genommen. Nun will er sich wieder ganz auf das Sportliche konzentrieren. Der neue Arsenal-Trainer Unai Emery sagte zu Özils Rücktritt: "Das ist Mesuts persönliche Entscheidung. Ich respektiere sie. Alle Spieler werden dafür da sein, dass er sich zuhause fühlt. Wir sind eine Familie." Eine Familie, das waren sie beim DFB zuletzt nicht mehr.

Doch auch gegen Özil selbst wird die Kritik lauter. In seiner inszenierten Erklärung ließ es der 29-Jährige an Selbstkritik mangeln, obwohl er selbst über zwei Monate zu den Fotos mit Erdogan und den Konsequenzen geschwiegen hatte. Özil hätte "viel früher reagieren müssen - spätestens Anfang Juni im WM-Trainingslager der Nationalmannschaft in Südtirol", sagte der frühere Freiburger Profi Ali Günes, der in Donaueschingen geboren wurde und ein Länderspiel für die Türkei bestritt.

"Je länger Mesuts Schweigen anhielt, desto stärker wurde der öffentliche Druck auf und die Verärgerung über ihn. Erst so ist diese negative Stimmung entstanden", betonte der 39-Jährige. Das könnte nun auch für den DFB gelten: Je länger der Verband schweigt, desto größer wird der Druck - und damit die Fragen, die unbeantwortet sind.

(APA/dpa)

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