Nationalspieler für einen Tag

International Friendly - Slovakia v Denmark
International Friendly - Slovakia v DenmarkREUTERS
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Fußball. Weil Dänemarks Stars mit dem Verband streiten, spielte ein No-Name-Team und verlor gegen Slowakei mit 0:3. Verkäufer, Gefängniswärter und YouTuber wahrten aber die EM-Chance.

Trnava/Wien. Es ist der Traum aller Fußballer: Einmal das Trikot der Nationalmannschaft tragen. Für 23 bis dahin unbekannte dänische Kicker hat sich am Mittwoch in Trnava dieser Traum erfüllt: sie repräsentierten im Freundschaftsspiel gegen die Slowakei ihr Land. Mit 0:3 zogen sie sich respektabel aus der Affäre, immerhin hießen die Gegenspieler unter anderem Marek Hamsik (105 Länderspiele, Napoli, Marktwert 35 Millionen Euro) oder Martin Skrtel (97, Fenerbahce, drei Mio. Euro). Aber Christian Offenberg, 31 Jahre alt, Teilzeit-Verkäufer und bei Drittligist Avarta oder Rasmus Johansson, ebenso in der dritten Liga engagiert und als Freestyler auf YouTube aktiv, traten beherzt auf.

Die ungewöhnliche Länderspielpremiere möglich gemacht hat ein Streit zwischen dem Verband und den etablierten Nationalspielern um Tottenham-Star Christian Eriksen und Leicester-Torhüter Kasper Schmeichel. In den Verhandlungen über den neuen Sponsorvertrag für die WM-Achtelfinalisten hatte der Fußballverband (DBU) auf mehr Individualisierung bei Werbeprojekten gepocht, die Spieler jedoch – wohl auch in Sorge um konkurrierende, eigene Verträge – auf den bestehenden Tarif beharrt. Als Kompromiss bot die Spielergewerkschaft an, den alten Kontrakt ein Monat zu verlängern, DBU lehnte ab. Den Vorwurf, dass es den hoch bezahlten Profis bei dem Streik doch nur um Geld gehe, wies Eriksen zurück: „Wir könnten bei unseren Klubs, die unsere Gehälter zahlen, oder zuhause bei unseren Familien sein. Aber wir sind hier, weil wir es lieben für Dänemark zu spielen.“

Mit den besten Fußballern des Landes nur als Zuschauer, befand sich der dänische Verband in der Zwickmühle. Denn die Uefa machte deutlich, dass sie im Falle einer Absage die Disziplinarkommission einschalten würde. Da vor einem Jahr bereits die dänischen Fußballerinnen wegen eines Streits über Versicherungsleistungen ein Qualifikationsspiel hatten platzen lassen, galt es als sicher, dass die Sanktion diesmal hart ausfallen würde. Obgleich sich die Uefa offiziell bedeckt hielt, war vom Ausschluss von der EM 2020 die Rede. Das wollte der DBU keinesfalls riskieren und berief notgedrungen ein No-Name-Team ein.

Ein Europameister als Trainer

Da die Profis der beiden höchsten Spielklassen in Dänemark sich mit dem Nationalteam solidarisiert hatten, standen nur Fußballer aus den unteren Ligen zur Verfügung. Der Kader umfasste neben dem eingangs erwähnten Duo einen Gefängniswärter, einen Zimmermann, mehrere Studenten sowie vier Spieler des Futsal-Nationalteams, darunter Torhüter Christoffer Haagh. Diese Form des Hallenfußballs wird ohne Bande im Fünf-gegen-Fünf-Format mit einem kleineren, weicheren Ball gespielt.
Als Teamchef fungierte anstelle von Åge Hareide Ex-Profi John Jensen. Der 53-Jährige gewann 1992 mit Dänemark den EM-Titel, erzielte beim 2:0-Finalsieg über Deutschland den ersten Treffer. „Ich helfe, weil mir das Nationalteam so viel bedeutet. Ich hoffe, dass ich einen Beitrag zur Beilegung des Konflikt leisten kann“, erklärte Jensen.

Gegen die in Topbesetzung angetretenen Slowaken konzentrierte sich Dänemark ganz auf die Defensive, kam auf lediglich 27 Prozent Ballbesitz. Keeper Haagh wehrte sieben der zehn Schüsse auf sein Tor ab, gegen Nemec (11.), Rusnak (37.) und ein Eigentor von Fogt (79.) war er jedoch machtlos. „Erst gestern habe ich meinen Chef gefragt, ob ich ein paar Tage frei bekomme“, rückte Haagh die Relationen nach dem Abpfiff zurecht.

Während die Umstände bei Fans (trotz Tickets um einen Euro) und Gegner (Hamsik: „Es war sehr schwer, sich zu motivieren“) auf Unmut stießen, sorgten sie international für großes Aufsehen. Gleich mehrere internationale Medien tickerten sogar live. Auf derartige Aufmerksamkeit möchte der dänische Verband künftig verzichten, bis zum Nations-League-Auftakt gegen Wales am Sonntag soll eine Lösung gefunden und wieder das A-Team aufgeboten werden. Den unverhofften Teamspielern bleibt eine einmalige Erfahrung.

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